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Folgen der Coronakrise Mehr Wilderei wegen Lockdown in Südafrika?

Die Coronakrise hat viele Südafrikaner den Job gekostet. Sie sind verzweifelt und jagen Bushmeat, um nicht zu verhungern.

Frik Rossouw und sein Team inspizieren einen Tatort mitten im Krüger Nationalpark, doch viel ist nicht mehr zu sehen. Vor einer Woche wurde hier ein Nashorn erschossen, Hyänen haben bis auf den Schädel alles gefressen.

Mit Metalldetektoren finden die Ermittler des Parks noch die zwei Kugeln, die das Nashorn getötet haben. «Man kann sich an vieles gewöhnen. Aber nicht an solche Blutbäder. Es fühlt sich immer wieder schlecht an, so was zu sehen», sagt Rossouw. «Vor allem, weil es immer weniger Nashörner gibt. Und das hier war eines von wenigen verbliebenen. Das macht mich traurig.»

Schädel eines Nashorns
Legende: Seit Ende März gibt es in Südafrika wegen der Corona-Pandemie einen Lockdown. In den Nationalparks sind in der Zeit die Wildereifälle rapide gesunken. Doch Tierschützer sehen keinen Grund zur Freude: Sie fürchten, dass die Fälle in den nächsten Monaten ansteigen. Keystone/Archiv

Die meisten der rund 20'000 Nashörner auf der Welt leben in Südafrika. Rund 1000 werden jedes Jahr getötet. Ende März hatte Südafrika für fünf Wochen einen der strengsten Lockdowns der Welt eingeführt. In diesem Zeitraum sank die Zahl der Wildereifälle drastisch, sagt Rossouw.

Auch die internationale Nachfrage nach Elfenbein und Nashorn brach ein. Mittlerweile wurde der Lockdown aber gelockert und Rossouw findet immer mehr kleine Fallen im Park. Metallschlingen, ausgelegt von hungrigen Bewohnern der Region, die sogenanntes Bushmeat fangen wollen.

«Wer hungrig ist, ist zu allem bereit»

In Huntington, am Rande des Parks, zeigt sich, wie hart die Folgen des Lockdowns die Bevölkerung treffen. «80 Prozent der Bewohner leben hier vom Tourismus», schätzt William Shabangu. Mehr als die Hälfte davon hätten bereits ihre Jobs verloren. «Manche benehmen sich dann nicht. Sie haben dumme Ideen, gehen wildern. Wer hungrig ist, ist zu allem bereit.»

Ein paar Häuser weiter wohnt Evans Mkwena. Er hat bis zum Lockdown als Spurenleser für Touristen auf Safaris gearbeitet. Jetzt ist er arbeitslos. Er glaubt nicht, dass die Bewohner plötzlich zu Wilderern werden. Die Bevölkerung habe sehr von den Touristen profitiert. Das werde hoffentlich auch in Zukunft wieder so sein. «Aber ich weiss nicht, wann», sagt er.

Wann, diese Frage stellt sich auch seine ehemalige Arbeitgeberin in der luxuriösen Lions Sands River Lodge. Hopie von Rooyen musste die Hälfte der 230 Mitarbeiter vorerst entlassen. Der Rest bekommt nur die Hälfte des Gehalts. Seit August empfängt die Lodge zwar wieder einige Gäste.

Doch das reiche bei Weitem nicht, sagt sie. 95 Prozent der Kunden kommen normalerweise aus dem Ausland. Ein Zimmer kostet umgerechnet über 1000 Franken pro Nacht. «Das ist eine echte Bedrohung für unsere Lodge. Jedes Geschäft in der Tourismusindustrie ist bedroht. Wenn wir die diesjährige Reisesaison verpassen, dann geht es erst nächstes Jahr weiter.»

Staat springt vorübergehend ein

Düstere Aussichten sind es auch für die Ranger im Krügerpark, die weitgehend auf den Tourismus angewiesen sind. Vorerst hat die Regierung die Parkverwaltung mit rund 50 Mio. Franken unterstützt. Aber wie lange kann Südafrika sich das leisten? Wildhüter Mark McGill erklärt gerade einer Gruppe Journalisten, mit welchen Technologien der Park Wilderer aufspürt: Radargeräte entdecken Menschen, eine Audiosoftware Schüsse.

Doch während seiner Präsentation wird Alarm geschlagen. McGill schnappt sich sein Gewehr und rennt zum Hubschrauber. «Es wurden Schüsse gehört. Wahrscheinlich haben Wilderer auf Nashörner geschossen. Wir versuchen so schnell wie möglich hinzukommen und versuchen, sie zu schnappen.»

Diesmal finden sie weder Wilderer noch ein totes Tier. Trotzdem: Die Ranger im Park stellen sich in den nächsten Monaten auf viel Arbeit ein.

SRF 4 News, 01.09.2020, 06:50 Uhr

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