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Fragen und Antworten Brexit – wo stehen wir?

Einmal mehr verstreicht heute eine Deadline für ein Abkommen Grossbritanniens mit der EU. Ein No-Deal wird damit wahrscheinlicher, und immer mehr Staaten und Unternehmen müssen sich darauf vorbereiten. Sechs Fragen und Antworten.

Wo stehen wir in der Brexit-Saga? Seit dem 1. Februar ist Grossbritannien kein EU-Mitglied mehr. In einer Übergangsphase bis Ende 2020 will man ein Abkommen über die künftigen Beziehungen aushandeln. Doch die Zeit wird knapp. Auch mit einem Abkommen sind Probleme und Veränderungen unvermeidbar, denn die Briten treten aus dem Binnenmarkt und der Zollunion aus. Ohne ein Abkommen (No-Deal Brexit) sind massive Störungen für die Wirtschaft auf beiden Seiten zu erwarten. Experten gehen davon aus, dass die Zeit für ein Abkommen, das alle Bereiche umfasst, nicht mehr reicht.

Was verändert sich an der Grenze? Unabhängig davon, wie das Abkommen aussieht, müssen Lastwagen künftig die Ein- und Ausfuhr von Gütern deklarieren. Das sind für Unternehmen beidseits der Grenze rund 400 Millionen neue Deklarationen pro Jahr. Die Kosten dafür werden auf 15.6 Milliarden Franken geschätzt. Die britische Prüfstelle NAO kommt zum Schluss, dass das britische IT-System für die digitale Bearbeitung der Zollpapiere nicht bereit ist. Die Grenzkontrollen werden den Verkehr verzögern. London rechnet in Dover mit einem Rückstau ins Landesinnere mit bis zu 7000 Lastwagen.

Werden Zölle eingeführt? Sollte es kein Handelsabkommen geben, werden beide Seiten zusätzlich zu den Deklarationen Zölle einführen. Dabei würden die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) greifen. Die Tarife würden in der Höhe von 37.5 Prozent auf Milchprodukte, 11.5 Prozent auf Kleider und zehn Prozent auf Autos aus Grossbritannien steigen.

Warum reden alle von der Automobilbranche? Die Autobranche gilt als wichtiger Arbeitgeber und ist über den Ärmelkanal eng verzahnt. Rund 60 Prozent aller Einzelteile, die in Grossbritannien eingebaut werden, kommen aus der EU. Gewisse Komponenten kreuzen die Grenze mehrmals, bevor sie montiert werden. Allein für die Autoindustrie passieren 1000 Lastwagen täglich die Grenze. Kommt kein Deal zustande, würde jeder Grenzübertritt von Einzelteilen und fertigen Autos mit rund zehn Prozent besteuert.

Die EU- und die britische Branche würden laut dem Verband Acea über fünf Jahre Einbussen von 100 Milliarden Franken erleiden. Das gefährdet hunderte Arbeitsplätze. Auf der Insel ist die Autoindustrie in strukturschwachen Regionen oft der einzige Arbeitgeber. Die Branche befürchtet wegen der Ursprungsregeln auch mit einem Abkommen Tarife.

Warum könnten sich Verbrecher freuen? Sollte es kein Abkommen und auch keine Notfall-Regelung geben, dann hätten die Briten keinen Zugang mehr zur Datenbank im Schengener Informationssystem SIS II. Darin sind 90 Millionen Daten zu gesuchten Kriminellen, vermissten Personen oder illegalen Einwanderern gespeichert. Die britische Polizei hat nicht nur Daten eingespeist, sondern 2019 572 Millionen Daten abgefragt. Das wäre ohne Abkommen nicht mehr möglich.

Keine Zusammenarbeit mit Europol mehr

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Auch die polizeiliche Zusammenarbeit via Instrumenten wie Europol endet und sogar der europäische Haftbefehl hätte auf der Insel keine Gültigkeit mehr. Das schafft Rückzugsräume für Verbrecher und macht Terrorbekämpfung viel schwieriger. Eine Notfall-Regelung in diesem Bereich ist wahrscheinlich.

Wo gibt es Notfallregeln bei einem No-Deal?

Flugbranche: Ohne Abkommen käme der Flugverkehr zum Erliegen. Die Fluggesellschaften würden ihre Start- und Landeerlaubnis verlieren. Vorübergehende Ausnahmeregelungen sind in diesem Bereich wahrscheinlich. Finanzbranche: Eine Notfallregelung für das sogenannte Clearing im Derivatehandel wurde verabschiedet. Doch alle anderen Bereiche der Finanzbranche stehen vor unsicheren Zeiten.

SRF 4 News, 13.11.2020, 12:30 Uhr

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