Die Vorgeschichte:
- Dem republikanischen französischen Präsidentschaftskandidaten François Fillon wird vorgeworfen er habe seine Frau und zwei seiner Kinder zum Schein angestellt und ihnen fast eine Millon Euro Lohn aus der Staatskasse zukommen lassen.
- Fillon hat sich im Fernsehen beim französischen Volk entschuldigt .
- Gleichzeitig sagt Fillon aber, alles sei legal gewesen und die Vorwürfe seien falsch.
SRF News: Wie kommt das an, was Fillon da tut? Er entschuldigt sich zwar für Fehler, sagt aber gleichzeitig, die Vorwürfe gegen ihn seien falsch.
Gilbert Casasus: Die Art und Weise, wie Fillon sich im Fernsehen produziert hat, bezeichne ich als Befreiungsschlag. Um beim Fussballvokabular zu bleiben: Nach einem Befreiungsschlag besteht immer die Möglichkeit, dass der Ball wieder in den Strafraum kommt. Die Frage ist also, ob der Schlag langfristig Bestand hat, oder ob eine Retourkutsche kommt. Es ist ein Widerspruch. Auf der einen Seite die Entschuldigung, auf der anderen Seite die Aussage, man habe nichts falsch gemacht. Nur schon die Tatsache, dass man sich entschuldigt, zeigt, dass man nicht gut gehandelt hat. Was Fillon aber gelungen ist, ist ein Befreiungsschlag in Richtung des eigenen Lagers. Er konnte die Kräfte seiner Partei wieder vereinen. Das ist ein Pluspunkt für Fillon.
Ist er denn in seiner eigenen Partei nicht unbestritten?
Die Frage ist, wer die Vorwürfe in der Job-Affäre an die Medien weitergegeben hat. Es ist nicht auszuschliessen, dass diese aus der eigenen Partei kamen. Dennoch wird es keinen anderen Kandidaten geben, keinen Plan B.
Wie hat Fillon auf Sie gewirkt? War er kämpferisch? Zerknirscht? Rechthaberisch?
Er war ein bisschen von allem. Er wirkte sehr selbstbewusst in der Art und Weise, wie er seinen Text gelesen hat. Doch der Text war bestimmt von einer Kommunikationsagentur geschrieben wurde. Weniger souverän wirkte Fillon dann bei der Beantwortung der Fragen der Journalisten. Er griff die Medienvertreter teils auch an. Generell ist das Verhältnis zwischen Fillon und den Medien sehr angespannt.
Wie beurteilen Sie die Job-Affäre? Ist die Empörung darüber berechtigt?
Wenn man sie mit anderen Skandalen in der französischen Politik vergleicht, kommt die Job-Affäre recht harmlos daher. Da gab es wesentlich schlimmere Skandale. Es geht nicht vordergründig um die Frage, ob es sein Recht war, seine Frau und seine Kinder zu beschäftigen. Vielmehr muss geklärt werden, ob diese Leute überhaupt gearbeitet haben und ob sie dieser Arbeit gerecht wurden. Da sind noch viele Fragen offen. Fillon hatte keine zufriedenstellenden Antworten.
Beruhigt sich das Thema jetzt und kann sich Fillon wieder ungestört und kraftvoll dem Wahlkampf widmen?
Ungestört auf keinen Fall. Da bleibt etwas liegen, das ist klar. Viele sagen, Fillon ist zu rechts, zu konservativ. Die Wahl wird zeigen, wie sich die Mitte-Links- und Mitte-Rechts-Wähler entscheiden werden. Fillon hat schon Defizite gezeigt, weil er eine sehr rechtskonservative Linie vertritt. Nach Sarkoys Weggang gab es bei den konservativen keine herausragende Persönlichkeit mehr. Fillon ist nicht erste Wahl. Es kriselt im konservativen Lager. Doch auch die Sozialisten befinden sich in der Krise. Es gibt generell keine einflussreichen Lager mehr. Es müssen neue Kräfte entstehen. Wo diese sich positionieren, dies ist massgeblich für den Ausgang der Wahl.
Das Interview führte Hans Ineichen