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Fratelli d'Italia im Aufwind Würde und Nationalstolz: Giorgia Meloni und der Sound der 1930er

Die Postfaschisten wollen von der politischen Krise in Italien profitieren. Angeführt von der neuen Königin der Rechten.

Mario Draghi ist zurückgetreten. Gäbe es jetzt Neuwahlen in Italien, hiesse die Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Die postfaschistischen Fratelli d'Italia schneiden in Umfragen am besten ab. Diese Befragungen sagen den Brüdern Italiens Zugewinne um 18 Prozentpunkte voraus.

Meloni dürfte versuchen, für sich einen Führungsanspruch im rechten Lager zu reklamieren – denn die Forza Italia von Silvio Berlusconi und die Lega von Matteo Salvini liegen deutlich hinter ihr. Meloni spürt die Gunst der Stunde. Das zeigte sich am Mittwochabend an einer Veranstaltung der Fratelli d'Italia in Rom.

«Demokratie pur»

Vor ihren Anhängern hielt Meloni ein glühendes Plädoyer für Neuwahlen. Nichts werde durch Wahlen gefährdet, die Bürokratie arbeite, die Milliarden aus dem Corona-Fonds würden weiter fliessen. Wählen, das sei nichts als Demokratie pur.

Italien müsse selbstbewusst sein, seinen Stolz und seine Freiheit wiederherstellen. Italien dürfe sich nicht von anderen Ländern vorschreiben lassen, was es zu tun und lassen habe, kein Italiener habe Deutschland je vorgehalten, es sei unverantwortlich Angela Merkel durch Olaf Scholz zu ersetzen oder in Frankreich Wahlen abzuhalten.

Gegen den «Ausverkauf» Italiens

Italien zuerst. Die Fratelli an der Regierung wären Patrioten, die anders als der Partito Democratico das Land nie an Frankreich oder Deutschland verkaufen würden. Das ist der Tenor. Ihr dürft nicht Angst haben frei zu sein, zu wählen, dem eigenen Gewissen zu folgen, ihr sollt euch nicht knechten lassen.

Unter unserer Führung wird Italien die erste Rechtsregierung seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs erhalten!
Autor: Fabio Rampelli Abgeordneter der Fratelli d'Italia

Und Fabio Rampelli, immerhin Vizepräsident des Abgeordnetenhauses, entwarf das Bild einer Rechtsregierung unter Führung der Fratelli. Sie seien die Lokomotive von rechts: «Unter unserer Führung wird Italien die erste Rechtsregierung seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs erhalten!», schrie Rampelli, der zuvor von einer Urenkelin Mussolinis dem Publikum vorgestellt worden war.

Giorgia Meloni
Legende: Giorgia Meloni und ihre Partei wecken bei ihren Anhängern diffuse Sehnsüchte nach einem stolzen, unabhängigen Italien. Keystone

Das kam beim Publikum sehr gut an. Meloni werde Italien die Würde zurückgeben, sagte eine Besucherin der Veranstaltung. «Ich bin hier, weil ich an die Zukunft, die Politik, die Jugend und die Stärke Italiens glauben will», erklärte eine Architektin, der bei diesen Worten die Tränen in die Augen schossen.

Was es für ihn oder sie persönlich verbessern würde, wenn Meloni Ministerpräsidentin würde, konnte niemand konkret benennen. Eine dritte Zuschauerin erklärte, sie liebe Italien und die Fratelli liebten Italien. Die Fratelli würden vieles anders machen, vor allem die Sozialpolitik ausbauen, erklärte ein Mann vage.

Das entmündigte Italien

Die Wünsche und Hoffnungen, welche die Anhänger der Fratelli d'Italia auf Giorgia Meloni projizieren, bleiben diffus. Ein Gefühl. Der Wunsch nach einer neuen politischen Klasse, die das Land führt. Wir müssen unsere eigenen Ressourcen verteidigen, die Landwirtschaft, den Tourismus, die Kultur, wir haben genügend Energie, man muss uns nur erlauben, das alles zu nutzen.

Erneuerung, Unabhängigkeit und Nationalstolz. Das erinnert an den Sound der 1930er-Jahre in Deutschland und Italien. Die EU und Länder wie Deutschland und Frankreich entmündigten ein stolzes Italien. Die Fratelli d'Italia, hervorgegangen aus der postfaschistischen Bewegung, bedienen ein diffuses Gefühl nach Erneuerung. Mario Draghi versuchte es mit 200 Milliarden Euro aus Brüssel.

Echo der Zeit, 21.07.2022, 18 Uhr

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