In diesen Tagen sollen in Afghanistan Friedensgespräche zwischen der Regierung und den radikalislamischen Taliban beginnen, sobald ein Gefangenenaustausch vollendet ist. Danach wird es auch um die Frage gehen, welche Rechte die Frauen künftig haben. Antworten liefern soll ein sogenannter Hoher Rat für Frauen. Das hat Präsident Ashraf Ghani angekündigt. Laut Ellinor Zeino von der Konrad-Adenauer-Stiftung drohen Rückschritte.
SRF News: Wie wird der Hohe Rat für Frauen aussehen?
Ellinor Zeino: Es ist aktuell noch nicht klar, wie genau er zusammengesetzt werden soll. Aktuell wurde in Kabul gesagt, dass er aus 26 Frauen bestehen soll. Diese kommen aus der Politik und aus der Zivilgesellschaft.
Was will die Regierung mit diesem Hohen Rat für Frauen erreichen?
Er dient der Bündelung der gesamten afghanischen Frauenstimmen. Man möchte im Vorfeld schon einen Konsens schaffen, um die verschiedenen Stimmen der Frauen aus unterschiedlichen sozialen Milieus zu bündeln und eine geeinte Front gegen den Taliban zu schaffen.
Die politische Landschaft in Kabul, in Afghanistan ist stark gespalten.
Weshalb gibt es so viel Widerstand gegen den Frauenrat?
Es existieren viele verschiedene Lobbygruppen, nicht nur Frauengruppen. Die politische Landschaft in Kabul, in Afghanistan ist stark gespalten. Die Regierung wollte dem eine offizielle Institution entgegensetzen.
Frauenorganisationen haben sich in einem offenen Brief an die Taliban gewandt. Befürchten sie zurecht einen Rückschritt bei ihren Rechten?
Die Taliban vertreten weiterhin die Wiedereinstellung des Islamischen Emirats, beziehungsweise einer islamischen Regierung. Unter so einer Regierung muss man befürchten, dass Frauen und Minderheiten Einschnitte erfahren müssen. Es ist die grosse Frage, ob sich die Ideologie der Taliban seit den 1990er Jahre wirklich geändert hat, ob sie sich ein bisschen modernisiert hat.
Das einzige Berufsverbot, für das sich die Taliban aktuell aussprechen, ist die Position des Staatspräsidenten und des Obersten Richters im Land.
Ich denke, die Taliban sind mittlerweile pragmatisch genug, dass sie nicht mehr die gleichen Forderungen von damals stellen werden. Aber natürlich werden sie versuchen, Politik, Staat und Gesellschaft stärker zu islamisieren.
Inzwischen dürfen Mädchen und Frauen in die Schule gehen und später auch einen Beruf ausüben. Was steht auf dem Spiel?
Dass die Taliban noch einmal ein generelles Bildungs- oder Berufsverbot verhängen werden, so wie es in den 90er-Jahren teilweise durchgesetzt worden ist, glaube ich nicht. Das einzige Berufsverbot, für das sie sich aktuell aussprechen, ist die Position des Staatspräsidenten und des Obersten Richters im Land. Da haben sie ganz klar gesagt, dass soll eine Frau nicht ausführen dürfen.
Die Taliban werden stärker auf Geschlechtertrennung pochen und eine Kleiderordnung nach islamischen Moralvorstellungen einfordern.
Ich sehe eher die Gefahr, dass die Taliban versuchen werden, die Lehrpläne in den Schulen oder den Universitäten stark zu beschränken und auch die Presse- und Meinungsfreiheit einzuschränken. Ein weiteres Thema sind auch Frauen in der Öffentlichkeit. Da werden die Taliban stärker auf Geschlechtertrennung pochen und eine Kleiderordnung nach islamischen Moralvorstellungen einfordern.
Hat man mit dem Hohen Rat für Frauen eine Möglichkeit, den Taliban politisch gegenzusteuern?
Ich halte es für sinnvoll, dass man versucht, eine Lobbygruppe von staatlicher Seite her einzurichten. Aktuell muss man versuchen, einen Konsens zwischen allen politischen Lagern, die die Werte der aktuellen Islamischen Republik und der Demokratie vertreten können, zu bilden. Ich sehe allerdings die Gefahr, dass die Stimmen so zerstritten sind, dass die Legitimität der Mitglieder des Rats von vielen anderen Frauen angezweifelt wird.
Das Gespräch führte Teresa Delgado.