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Friedensgipfel der UNO «Westliche Länder sollten mehr Blauhelme stellen»

Die UNO nimmt den 100-jährigen Geburtstag des 2013 verstorbenen südafrikanischen Freiheitshelden Nelson Mandela zum Anlass für einen Friedensgipfel in New York.

Bei ihren Bemühungen um Frieden in zahlreichen Konflikten beisst die UNO derzeit auf Granit. Den Hauptgrund dafür sieht der Politologe David Lanz weniger bei der UNO als vielmehr bei den Grossmächten.

David Lanz

Politologe

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David Lanz ist bei der Schweizerischen Friedensstiftung «Swiss Peace» Leiter des Mediationsprogramms.

SRF News: Wie gut und wie erfolgreich sind die Anstrengungen der UNO, in den Krisenherden dieser Welt Frieden zu stiften?

David Lanz: Die UNO macht recht schwierige Zeiten durch. Sie leitet die Prozesse in Syrien, Jemen und Libyen – alles sehr schwierige Kontexte. In keinem der Fälle ist es bislang gelungen, ein umfassendes Friedensabkommen zu erreichen. Das ist allerdings nicht die Schuld der Vereinten Nationen, sondern das hat mit den äusseren Umständen zu tun.

Frieden zu vermitteln ist nur möglich, wenn alle Konfliktparteien den Frieden auch wollen.

Ist eine klassische Friedensvermittlung in diesen Konflikten überhaupt noch möglich?

Sie ist grundsätzlich schon möglich. Dies bedingt aber den Willen aller Konfliktparteien, Frieden machen zu wollen. Sie müssen ihre Interessen in einem Friedensschluss gewahrt sehen und nicht in einer Weiterführung des Krieges. In Syrien zum Beispiel gibt es sehr viele Akteure – nationale und internationale. Sie alle mit ihren unterschiedlichen Absichten und Zielen in Übereinkunft zu bringen, ist sehr schwierig. Dies erklärt auch, wieso die UNO dort keine einfache Aufgabe hat.

Hinzu kommt, dass auch die UNO selber nicht hundertprozentig neutral ist, denn dort reden die Grossmächte mit. Ist das eine zusätzliche Schwierigkeit?

Die UNO ist in erster Linie eine zwischenstaatliche Organisation, die aus den 193 anerkannten Staaten der Welt besteht. Die UNO ist also nur so gut wie ihre Mitgliedstaaten. Nun sind die Grossmächte in den letzten Jahren dazu übergegangen, Probleme weniger im Kollektiv zu lösen und eher auf unilaterale Aktionen zu setzen. Das hat einen Einfluss auf die Konfliktvermittlung generell, aber auch auf die Rolle der UNO.

Die internationale Gemeinschaft hat eine Verantwortung, zu handeln, wenn irgendwo auf der Welt besonders grausame Verbrechen verübt werden.

Seit dem Versagen der UNO in Ruanda 1994 und Srebrenica 1995 gibt es eine sogenannte Schutzverantwortung. Was muss man sich unter der «Responsibility to Protect» genau vorstellen?

Die «Schutzverantwortung» ist ein moralisches Gebot. Es postuliert, dass die internationale Gemeinschaft eine Verantwortung hat, zu handeln, wenn irgendwo auf der Welt besonders grausame Verbrechen verübt werden. Dadurch sollen Verbrechen, die bereits im Gange sind, gestoppt werden – oder verhindert werden, dass solche überhaupt geschehen.

Wenn man sich die täglichen Nachrichten anhört, bekommt man den Eindruck, dass nicht überall gehandelt wird, wo gehandelt werden müsste. Warum wird diese «Schutzverantwortung» nicht wahrgenommen?

Man kann das Glas halb voll oder halb leer sehen: Halb leer ist das Glas sicher, wenn man die Situation in Syrien anschaut. Dort tobt seit sieben Jahren ein blutiger Konflikt, in dem laut der UNO 400’000 Menschen umgekommen und elf Millionen vertrieben worden sind. In diesem Fall ist die internationale Gemeinschaft ihrer Schutzverantwortung nicht gerecht geworden.

Bei der Schutzverantwortung klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander.

Es gibt aber auch erfolgreiche Beispiele: So konnte man 2011 in Libyen etwa ein Massaker in Benghasi verhindern. Auch in Westafrika gibt es Beispiele, bei denen der Ausbruch eines bewaffneten Konflikts verhindert werden konnte. Trotzdem war es eine gute Idee, dieses Konzept 2005 einzuführen – auch wenn Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Weil die einzelnen Staaten ihre Interessen in den letzten Jahren vermehrt unilateral durchsetzen, ist ein gemeinsames Vorgehen schwieriger geworden, um Gräueltaten zu verhindern.

In den letzten Jahren sind vermehrt UNO-Blauhelme, die den Frieden in der Welt sichern sollen, in Sex- oder andere Skandale verwickelt gewesen. Hat die UNO auch ein Image-Problem?

Diese Skandale sind tatsächlich ernst zu nehmen. Die UNO muss dagegen vorgehen. Für UNO-Generalsekretär Antonio Guterres ist dies denn auch eine der obersten Prioritäten. Die Blauhelm-Truppen müssen besser ausgebildet werden, es braucht bessere Kontrollsysteme. Whistleblower müssen geschützt werden. Man muss auch daran erinnern, dass die UNO keine eigene Armee hat.

Nur acht Prozent aller 90'000 Blauhelme stammen aus westlichen Ländern.

Bei jeder neuen Blauhelm-Mission muss die UNO bei den Mitgliedstaaten zum Teil sehr mühsam Truppen zusammenkratzen. Vor allem westliche Staaten sind hier gefordert: Von den derzeit 90’000 Blauhelmen, die in 14 verschiedenen Missionen entsandt sind, stammen nur acht Prozent aus westlichen Ländern. Von diesen braucht es ein grösseres Investment.

Auch von der Schweiz?

Die Schweiz fokussiert auf die zivile Friedensförderung und arbeitet vielseitig mit der UNO zusammen. Die militärische Friedensförderung dagegen ist in den Hintergrund getreten. Sicher aber gibt es ein gewisses Potenzial, dass auch die Schweiz für die Blauhelm-Truppen noch mehr tut.

Das Gespräch führte Beat Soltermann.

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