Was ist ein digitaler Zwilling? Google Maps ist ein digitaler Zwilling des Strassenverkehrs, der sich in einem Feedback-Loop ständig weiterentwickelt. Das gleiche Prinzip wird auch zusehends in Städten wie beispielsweise Singapur verwendet – nur sind die Systeme, die digital erfasst werden sollen, sowie die Datenmengen ungleich komplexer.
Die Universität von Pretoria will auf diesem Feld eine Führungsrolle in Afrika spielen. Architektin und Projektleiterin Calayde Davey spaziert regelmässig durch das Quartier Hatfield, dessen Boden zu 60 Prozent der Universität gehört. Sie spricht mit lokalen Initiativen: «Wir wollen alle miteinbeziehen und dass alle verstehen, wie Technologie helfen kann, die Stadt zu verbessern.» Kontakt sucht sie auch mit Abfallsammlern, die in der Regel keines Blickes bedacht werden. Sie repräsentieren für Davey das informelle System, das durch die Maschen fällt.
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Bild 1 von 3. Die südafrikanische Architektin Calayde Davey spricht mit einem Abfallsammler. Menschen wie ihn will sie mit ihrem Digitalisierungsprojekt sichtbar machen. Bildquelle: SRF/Cristina Karrer.
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Bild 2 von 3. In ihrem Projekt an der Universität Pretoria will Davey einen digitalen Zwilling des Quartiers Hatfield erstellen, dessen Boden zu 60 Prozent der Universität gehört. Bildquelle: SRF/Cristina Karrer.
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Bild 3 von 3. In der digitalen Zwillingsstadt soll alles, was bis jetzt nur repariert wird, wenn es nicht funktioniert, an ein zentrales digitales System angeschlossen werden. Bildquelle: SRF/Cristina Karrer.
«Diese Menschen leisten einen grossen Beitrag, der jedoch nicht gewürdigt wird. Oft schlafen sie in Parks, weil sie sich die Miete nicht leisten können. Wir hoffen, dass wir ihre Situation verbessern können, wenn die digitale Zwillingsstadt Realität ist. Dann sind sie sichtbar.»
Eine digitale Zwillingsstadt umfasst viele Aspekte: die Bewohner, Bauten, Verkehrsflüsse, Nahrungsmittelketten, das Wasserleitungssystem und das Stromnetz. Alles, was bis jetzt nur repariert wird, wenn es nicht funktioniert, soll an ein zentrales digitales System angeschlossen werden. So versteht man laut Davey in Echtzeit, wo es ein Problem gibt und kann schneller reagieren.
Intelligentes Stromnetz
Im Fall der regelmässigen Überbelastung des Stromnetzes, das in Südafrika zu täglichen Unterbrüchen führt, ist das besonders wichtig. Deshalb wird an der Universität ein intelligentes Stromnetz entwickelt. Unter Projektleiter Raj Naidoo tüfteln Studenten an intelligenten Stromzählern, die in allen Häusern und Wohnungen installiert werden sollen.
«In Zukunft könnte man – statt ganze Stadtteile täglich vom Strom zu trennen – während gewissen Phasen nur Energiefresser wie Waschmaschinen und Kochherde abstellen», erklärt Naidoo. Diesen Eingriff in die Privatsphäre nehme man in Kauf, wenn man dafür immer noch Licht und Internet habe.
Das Projekt ist erst ein knappes Jahr alt, es gibt noch viel zu tun. Doch die Dringlichkeit ist schon heute da. «Wenn wir unsere Städte nicht besser verstehen, können wir ihnen nicht besser Sorge tragen», sagt Projektleiterin Davey im Gemeinschaftsgarten, den die Universität in Hatfield geschaffen hat und der allen Bewohnerinnen offen steht, um Gemüse und anderes anzubauen.
Wenn wir unsere Städte nicht besser verstehen, können wir ihnen nicht besser Sorge tragen.
Auch der Garten ist Teil der künftigen Zwillingsstadt. Städte, ihr natürliches und menschliches Umfeld zu verstehen, sei dringend nötig – vor allem in Afrika, wo die Bevölkerung wachse wie auf keinem anderen Kontinent und die Städte explodieren werden.
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Bild 1 von 3. Auch ein Gemüsegarten wurde im Rahmen des Digitalisierungsprojektes im Quartier Hatfield geschaffen. Doch laut Calayde Davey gibt es noch viel zu tun. Bildquelle: SRF/Cristina Karrer.
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Bild 2 von 3. Vor allem in Afrika sei das Projekt dringend nötig, da die Bevölkerung wachse wie auf keinem anderen Kontinent, glaubt die Projektleiterin. Bildquelle: SRF/Cristina Karrer.
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Bild 3 von 3. Mit der digitalen Zwillingsstadt soll auch ein weiteres Problem gelöst werden. Um der Überlastung des Stromnetzes entgegenzuwirken, wird an der Universität unter der Leitung von Raj Naidoo ein intelligentes Stromnetz entwickelt. Bildquelle: SRF/Cristina Karrer.
Calayde Davey ist überzeugt: Die Menschen in Afrika sind für die angestrebte Digitalisierung der Städte bereit. Nirgendwo habe es solche Technologiesprünge gegeben wie in Afrika. Hier haben Smartphones schon lange die Banken ersetzt, und zwar nicht in den Städten, sondern in abgelegenen Dörfern.
Es ist die junge Generation, die den Kontinent vorantreiben wird.
Der Umgang mit digitaler Technologie ist vielen vertraut, vor allem den Jungen. «Vergessen wir nicht, dass das Durchschnittsalter in Afrika 19 Jahre ist. Es ist die junge Generation, die den Kontinent vorantreiben wird. Wir haben bereits Hunderte von Studenten an Bord. Wenn wir die breite Bevölkerung überzeugen können, kann unser Traum Realität werden.»