Ein Loch, wo man einst Geld beziehen konnte, eine Bankfiliale vollständig ausgebrannt, und wo man einst gebratenes Huhn billig kaufen konnte, ist keine Fensterscheibe mehr ganz: Das Einkaufszentrum im Township Alexandra, mitten in Johannesburg, ist sprichwörtlich ausgehöhlt. Es war einst der Stolz der Einheimischen. Ein Symbol dafür, dass Einkaufszentren nicht nur was für die Vermögenden sind.
«Jahre hat der Bau gedauert, eine Minute die Zerstörung», sagt Harrison Chisanga, der Schuhe auf dem Trottoir vor dem Einkaufszentrum verkauft. Er ist noch immer geschockt, so ein Ausmass der Gewalt habe er noch nie in seinem Leben erlebt. Er und seine Kollegen und Kolleginnen mussten machtlos zusehen, wie ein Mob über ihre Lebensgrundlage herfiel – denn von der Kundschaft des Zentrums hängen sie alle ab. Und Kundschaft gibt es keine mehr.
Eindrücke aus Township Alexandra, Johannesburg
Dass die Menschen wütend und frustriert sind, war schon lange klar. Armut, Arbeitslosigkeit, COVID, Korruption – hie und da protestierten einige Gruppen und zündeten Autopneus an. Doch erst die konzertierte Anfeuerung durch Anhänger des Ex-Präsidenten Jacob Zuma verwandelte die schwelende Frustration in einen Flächenbrand.
Es waren vor allem Zulus, der mit elf Millionen Menschen grösste Stamm und Zumas Basis, die die Verwüstungen vorantrieben. In Kapstadt, wo kaum Zulus leben oder im Norden des Landes blieb es vergleichsweise ruhig. «Geschürt wurden die Ausschreitungen von jenen, die die Macht im Land an sich reissen wollen», sagt Politologe Trevor Ngwane. Das sei eben die Fraktion im ANC, die Zuma unterstütze. «Ihr Ziel war es, das Land zu destabilisieren, das ist keine Frage», doch das hätten sie nur bedingt erreicht.
Strassenverkäufer Harrison Chisanga fragt sich wie alle in Südafrika, wo denn Polizei und Armee waren, als vor seinen Augen das Einkaufszentrum in Flammen stand. Auch in Soweto waren keine Sicherheitskräfte zu sehen. Dass die über Soweto hinaus berühmte «Maponya Mall», das edelste Zentrum überhaupt, bis heute unversehrt geblieben ist, ist den Anwohnern und Anwohnerinnen zu verdanken. Die Taxifahrer reihten ihre Minibusse aneinander und schützten die Maponya Mall während fünf Tagen. Ja, wo blieb die Armee? Es hat sich nach der Verhaftung von Jacob Zuma abgezeichnet, dass viele Zulus brodelten.
Hat die Regierung Feuer im eigenen Dach, kann sie das Feuer im Land nicht löschen.
«Hat die Regierung Feuer im eigenen Dach, kann sie das Feuer im Land nicht löschen», erwidert Politologe Trevor Ngwane. Mit anderen Worten: Der ANC, die Regierungspartei notabene, ist so zersplittert und zerstritten, dass Armeeführer nicht unbedingt dem Befehl des Präsidenten folgen, sondern der Zuma-Fraktion.
Das Gleiche gilt für Polizeikommandanten. «Der ANC hat die Kontrolle über die Bevölkerung längst verloren, auf den Strassen wird seine Autorität nicht anerkannt. Die Situation ist immer noch angespannt und immer noch kann alles passieren.»
Noch ist keine Lösung gefunden
Um die Wut der Menschen etwas zu dämpfen, hat Präsident Ramaphosa wieder die monatlichen 30 Franken COVID-Unterstützung eingeführt. Doch das ist ein Tropfen auf den heissen Stein. Solange die Arbeitslosigkeit über 30 Prozent bleibt, keine Stellen und Möglichkeiten vor allem für die desillusionierte Jugend geschaffen und das Land umverteilt wird, wird sich an der tiefverwurzelten Frustration und Wut nichts ändern.