Kaizen ist Japanisch und bedeutet stetige Verbesserung. Diese Philosophie wendet das Land auch bei der Katastrophenprävention an. Japan liegt in einer der weltweit erdbebenaktivsten Zonen. Regelmässig bebt die Erde – zum Teil heftig, doch in der Regel bleiben grosse Schäden aus. Strenge Bauvorschriften, moderne Technik und die Disziplin der Bevölkerung tragen dazu bei.
Von Kindheit an lernen die Menschen das richtige Verhalten im Erdbeben- oder Tsunamifall. Auch gibt es ein breites Sortiment von Sicherheitsmechanismen, um etwa das Umstürzen von Schränken bei schweren Beben zu verhindern.
Das Land verfügt über ein staatliches Frühwarnsystem. Sensoren messen die Erdbewegungen, Computer errechnen daraus die mögliche Ausbreitung von Bodenwellen und lösen automatisiert einen Alarm aus. Per Handy, Lautsprecher und Radio werden die Menschen gewarnt und Züge gestoppt.
Aus schweren Beben leiten die Behörden neue Empfehlungen und Vorschriften ab. Nach dem Erdbeben in Kobe 1995 wurden die Bauvorschriften verschärft und die Bautechnik deutlich verbessert, nach dem heftigen Tsunami 2011 wurden an weiten Teilen der Küste Dämme errichtet, die eine erneute Zerstörung der Orte durch Wassermassen verhindern sollen.
Dämme für Higashimatsushima
Die kleine Gemeinde Higashimatsushima liegt im Nordosten Japans. Die Gegend ist bekannt für Meeresprodukte und seine kleinen Inselchen. Am 11. März 2011 zerstörte einer der heftigsten Tsunami der Geschichte des Landes 97 Prozent der Häuser im Ort. Rund 1100 der 43'000 Einwohnenden kamen ums Leben.
Heute stehen die meisten der Häuser weiter im Landesinnern und in höheren Lagen – aus Sicherheitsgründen – höhere Dämme an der Küste sollen zudem dem erneuten Eindringen von Wasser entgegenwirken.
Als ich jung war, sind wir bei einer Tsunami-Warnung hierhergekommen, um vor Ort zu sehen, ob ein Tsunami auf die Küste trifft.
Auf den Dämmen stehen Kameras. Diese dienen der Beobachtung, sollte ein Tsunami auf die Küste zusteuern, erklärt der zuständige Chef des Krisenstabs Isamu Kobayashi bei einem der Dämme: «Als ich jung war, sind wir bei einer Tsunami-Warnung hierhergekommen, um vor Ort zu sehen, ob ein Tsunami auf die Küste trifft. Die Kameras sind daher schon hilfreich, um aus Distanz einen Überblick zu haben. Doch ich denke, es wäre besser, wenn die Kameras nicht direkt an der Küste stehen würden, sondern etwas weiter weg und in der Höhe.»
Für die Frühwarnung dienen die Kameras nicht. Wenn ein Tsunami bereits sichtbar ist, reicht die Zeit nicht, sich in höhere Lagen in Sicherheit zu bringen. Bei der Frühwarnung vertraut Higashimatsushima auf das staatliche System.
Das Wichtigste: Trinkwasser und Toiletten
Unmittelbar nach grossen Katastrophen sind die Menschen die ersten Tage auf sich gestellt, die Hilfe von aussen rollt erst langsam an. Das zeige ein Blick in die Vergangenheit, so Kobayashi. Higashimatsushima lagert daher, wie viele andere Gemeinden in Japan, für seine 40'000 Einwohnenden dezentral Notfallausrüstung – von Lebensmitteln, über Kleider bis zu Generatoren.
«Trinkwasser ist im Krisenfall das Wichtigste, am zweitwichtigsten sind Toiletten. Gerade ältere Menschen oder Personen mit einem schwachen Körper, die von einer Katastrophe betroffen sind, haben oft Schwierigkeiten, schnell Zugang zu Trinkwasser und Toiletten zu haben», so Kobayashi. Die Nahrungsmittel sind mehrere Jahre haltbar. Bevor sie ablaufen, werden sie bei Notfallübungen oder in Schulen verwendet, um möglichst keinen Lebensmittelabfall zu produzieren.