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Fussballapokalypse in Italien «Nicht nur der Fussball, das Land ist ein Skandal»

Eine Fussball-WM ohne Italien war undenkbar und wird nun Realität. Stimmen aus der Bevölkerung am Morgen danach.

Seit 1958 spielten die italienischen Fussballer in den blauen Trikots und weissen Shorts an jeder WM um den Titel. Und nun hat sich das Team nicht qualifiziert. Welch eine Schmach für den vierfachen Weltmeister! Die Enttäuschung in Italien ist gross. Sie zeigt sich dort, wo die Italiener jeweils zuerst hingehen, wenn sie das Haus verlassen: in der Bar, beim ersten Kaffee.

An den Wänden hängen vergilbte Fotos von Fussballern, vor allem von Francesco Totti. Über der Kaffeemaschine hängt ein dunkelroter Schal der AS Roma. Auf dem Tresen liegt die rosafarbene «Gazzetta dello Sport».

«Der Ball wollte nicht rein»

Alle haben den Match gestern gesehen und spülen nun den Frust mit einem kräftigen Schluck Capuccino runter. «Der Ball wollte einfach nicht rein», sagt der junge Mann hinter dem Tresen, der Barista, der die Cappuccini serviert.

Die Clubs haben den Nachwuchs vernachlässigt.
Autor: «Fussballexperte» nach Italiens Nicht-Qualifikation

Einer der Kunden hakt ein und versucht zu erklären, dass die Probleme tiefer liegen: «Da wurden seit langem Fehler gemacht. Die Clubs haben den eigenen Nachwuchs vernachlässigt und sind im Ausland mit dem Scheckbuch auf Einkaufstour gegangen.» Dabei habe Italien mal zu den Besten gehört.

«Der Trainer ist schuld»

Auch im Hintergrund der Bar ist das Ausscheiden Italiens das Thema. Das Fachwissen ist, wie wohl in jeder italienischen Bar, geballt: «Der Trainer ist schuld, der Trainer. Absolut. Der war nicht einmal fähig, eine Squadra zusammenzustellen», ereifert sich ein Mann. Und dann, fährt er fort, wolle der auch noch bleiben, der klebe am Sessel.

Auch dafür hat er eine Erklärung: «Es geht ums Geld.» Sobald die Abfindung stimme, werde der Commissario Tecnico seinen Sessel räumen. Bitter nötig sei das: «Alles müssen wir neu machen. Von vorne anfangen.»

Lachen im Ernst

Ob es die Skandale waren, die dem Fussball geschadet haben, die rassistischen Ausfälle von Hooligans, die gekauften Spiele oder die korrumpierten Schiedsrichter? Ach was, winkt einer ab: «Nicht nur der Fussball ist ein Skandal, sondern das ganze Land.» Der Mann lacht zwar. Doch es macht den Anschein, als meine er es ernst.

Derweil liegt die «Gazetta dello Sport» unberührt auf dem Tresen. Die Überschrift besteht aus nur 4 Buchstaben: «Fine». Das Ende.

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