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Gegen illegale Migration Mehr Kontrollen an deutschen Grenzen – Folgen für die Schweiz?

Nach der Ankündigung aus Berlin hat Bern reagiert. Aber nicht nur der Bund sieht einen Verstoss gegen geltendes Recht.

Darum geht es: Bereits in den letzten zwei Jahren hat Deutschland die Grenzkontrollen verschärft. Nun will die neue Bundesregierung diese intensivieren und auch die Zurückweisung von Asylsuchenden an der Grenze ermöglichen, wie Innenminister Alexander Dobrindt am Mittwoch mitteilte. Ausgenommen sind vulnerable Personen, wie Schwangere oder Kinder. Laut Dobrindt leiste die Bundespolizei ab sofort mehr Einsätze.

Der Blick auf die Schweizer Seite der Grenze: Trotz den angekündigten schärferer Kontrollen ist es an den Schweizer Grenzen zu Deutschland nicht zu mehr Staus oder Behinderungen gekommen. Das Bundesamt für Zoll und Grenzschutz (BAZG) hat nach eigenen Angaben keine Veränderungen festgestellt. «Es bleibt abzuwarten, ob und wie Deutschland die gestrigen Ankündigungen umsetzt», so Mediensprecher David Venetz. Das BAZG werde mit Blick auf die aktuelle Lage im «vorhandenen Handlungsspielraum» seine Ressourcen aufteilen. In Bezug auf die internationale Zusammenarbeit heisst es: «Gemeinsame Kontrollaktivitäten gehören zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität und der irregulären Migration.»

Wir haben einiges an Kräften dazubekommen.
Autor: Bettina Stahl Sprecherin der Bundespolizeiinspektion Konstanz

Der Blick auf die deutsche Seite der Grenze: Aktuell werde am Grenzübergang Kreuzlingen-Konstanz so kontrolliert wie auch an den letzten Tagen, sagt Bettina Stahl, Sprecherin der Bundespolizeiinspektion Konstanz. «Änderungen gab es dahingehend, dass wir mit mehr Personal nun flächendeckender und an verschiedenen anderen Stellen zusätzliche Kontrollen durchführen können.» Denn: «Wir haben einiges an Kräften dazubekommen», sagt die Sprecherin, ohne eine genaue Zahl zu nennen. Am Mittwoch sprach Dobrindt von einer schrittweisen Erhöhung um 3000 Beamte – zu den 11'000 bestehenden Bundespolizisten. In Bezug auf die mögliche Zurückweisung von Asylsuchenden sagt Stahl schliesslich: «Wir können die Einreise verweigern, da sie aus einem sicheren Herkunftsland kommen, nämlich der Schweiz.»

Dobrindt: Zurückweisungen von Asylsuchenden rechtlich möglich

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Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hat die umstrittenen Zurückweisungen von Asylsuchenden an den Grenzen als rechtlich möglich verteidigt. «Unser Asylgesetz bietet die Grundlagen dafür», sagte der CSU-Politiker am Donnerstagabend im ZDF. Verträge mit den Nachbarstaaten liessen dies auch zu.

«Das eingebettet mit den europäischen Ausnahmeregeln gibt dann am Schluss eine Möglichkeit, dass man das auch schaffen kann.» In dem Zusammenhang erwähnte er auch den «Notlagen»-Artikel 72 der EU, der bei Gefahr für die innere Sicherheit und Ordnung den Staaten Sonderrechte einräumt. Ein Regierungssprecher hatte allerdings am Donnerstag erklärt: «Der Bundeskanzler wird keinen nationalen Notstand ausrufen.»

Das sagt die Regierung in Bern: Justizminister Beat Jans ist nicht erfreut über die Ankündigung aus Deutschland. Auf X hatte er am Mittwoch eine Stellungnahme seines Departements geteilt: «Systematische Zurückweisungen an der Grenze, wie dies Deutschland plant, verstossen aus Sicht der Schweiz gegen geltendes Recht.» Auch von der Prüfung von Massnahmen sei die Rede. Am Donnerstagabend teilte Jans dann auf X mit, dass er mit Dobrindt gesprochen habe: «Ich habe den Standpunkt der Schweiz klar dargelegt.» Auch ein persönliches Treffen sei geplant.

Die juristische Beurteilung: Das Vorgehen der deutschen Regierung ist juristisch umstritten, insbesondere die Abweisung von Migrantinnen und Migranten, die ein Asylgesuch stellen. Letzteres ist laut Sarah Progin-Theuerkauf, Migrations­rechts­professorin an der Uni Freiburg, nicht erlaubt. «Selbst in Notsituationen gibt es keine Möglichkeit, bei Asylsuchenden Ausnahmen zu machen. Man muss zumindest prüfen, was genau auf der anderen Seite der Grenze mit diesen Personen passiert.» Der Schengener Grenzkodex halte ganz klar fest: Der Zugang zu einem Asylverfahren müsse immer gegeben sein. Progin-Theuerkauf rechnet deshalb damit, dass es nun vermehrt zu Klagen kommen werde. Für die Schweizer Behörden gibt es laut der Expertin aber wenig rechtliche Handhabe: Als nicht EU-Mitglied könne sie lediglich eine Diskussion im Gemischten Ausschuss anregen, «quasi ohne Sanktionsmöglichkeiten.»

Reaktionen aus Österreich und Polen

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Wie Bern pocht auch Wien respektive das österreichische Innenministerium auf die Einhaltung des geltenden EU-Rechts. Generell begrüsse Österreich aber die Bestrebungen Deutschlands im Kampf gegen die Schleppermafia und illegale Migration. Auf jeden Fall sei das «kein unfreundlicher Akt» der Nachbarn, sagt Österreichs Bundeskanzler Christian Stocker, von der konservativen Volkspartei ÖVP, gegenüber der ARD. «Wir finden es gut, wenn Deutschland hier einen neuen Weg beschreitet», sagt auch Österreichs Aussenminister Beate Meinl-Reisinger, von den liberalen Neos.

Polens Ministerpräsident Donald Tusk hat Bundeskanzler Friedrich Merz aufgefordert, keine einseitigen Schritte bei Grenzzurückweisungen vorzunehmen. Polen haben massiv in den Schutz der EU-Aussengrenzen investiert, aber nicht den der Binnengrenzen, in denen der Pendlerverkehr nicht behindert werden sollte, so Tusk in Warschau nach einem Treffen mit Merz. «Ich verstehe das Bedürfnis nach verstärkten Grenzkontrollen. Aber das sollte vor allem für die Aussengrenzen gelten.»

Tagesschau, 8.5.2025, 19:30 Uhr ; 

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