Zum Inhalt springen

Neue Regierung Deutschland will strengere Grenzkontrollen – Schweiz will Treffen

  • Wenige Stunden nach seinem Amtsantritt kündigte der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) an, dass künftig auch Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können.
  • Eine mündliche Weisung aus dem Jahr 2015, dies nicht zu tun, werde er nun schriftlich zurücknehmen.
  • Aus Sicht der Schweiz verstossen systematische Zurückweisungen an den Grenzen gegen geltendes Recht, schreibt das Justizdepartement auf X.
  • Bundesrat Beat Jans hat ein Treffen auf Ministerebene vorgeschlagen, eine Antwort steht bisher noch aus.

Mit mehr Polizisten an den deutschen Landesgrenzen und strengeren Regeln will Dobrindt für einen Rückgang der irregulären Migration sorgen. Es gehe nicht darum, ab morgen alle zurückzuweisen, sondern darum, «dass wir die Zahlen reduzieren», erklärte er.

Schwangere, Kinder und andere Angehörige vulnerabler Gruppen würden nicht zurückgewiesen, sagte Dobrindt. Ihm gehe es um ein «Signal in die Welt und nach Europa», dass sich «die Politik in Deutschland geändert hat».

Mann im Anzug spricht am Rednerpult.
Legende: Der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hat bereits wenige Stunden nach seinem Amtsantritt über schärfere Asylregeln gesprochen. KEYSTONE/DPA/Bernd von Jutrczenka

Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD war vereinbart worden: «Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen.»

Schweiz: Zurückweisung verstösst gegen geltendes Recht

Dobrindt sagte jetzt: «Wir halten unsere Nachbarn in enger Abstimmung.» Er selbst und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hätten dazu bereits in den vergangenen Tagen Gespräche geführt. Bei seiner ersten Pressekonferenz als Bundesinnenminister wurde Dobrindt vom Präsidenten der Bundespolizei, Dieter Romann, begleitet.

Systematische Zurückweisungen an der Grenze, wie dies Deutschland plant, verstossen aus Sicht der Schweiz gegen geltendes Recht. Die Schweiz bedauere, dass Deutschland diese Massnahmen ohne Absprache getroffen habe, teilt das Justizdepartement am Mittwoch auf dem Portal X mit. Die Schweizer Behörden beobachteten die Auswirkungen und prüften gegebenenfalls Massnahmen, schreibt das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) auf X.

Folgen für die Schweiz

Box aufklappen Box zuklappen

Inlandredaktor Philipp Schrämmli schätzt die Folgen der verstärkten Grenzkontrollen für die Schweiz ein: «Bereits 2024 hat Deutschland über 45'000 Menschen an der Grenze zurückgewiesen, davon jeder Vierte an der Grenze zur Schweiz. Wenn Deutschland nun diese Kontrollen, wie angekündigt, mit 3000 zusätzlichen Bundespolizisten verstärkt, ist mit mehr solcher Zurückweisungen zu rechnen. Ob diese Menschen dann in der Schweiz Asyl beantragen oder dann von der Schweiz selber weggewiesen werden, hängt vom Einzelfall ab. Der Aufwand für die Schweizer Behörden dürfte sich aber erhöhen. Auch im Alltag der Schweizerinnen und Schweizer werden die Grenzkontrollen spürbar sein, da sie vermehrt auftreten werden und einen persönlich treffen können.»

Die Schweiz erwarte, dass der grenzüberschreitende Personen- und Warenverkehr unbeeinträchtigt bleibe. «Die Bürgerinnen und Bürger beider Länder sollen weiterhin ungehindert über die Grenze zur Arbeit pendeln können», heisst es.

Treffen auf Ministerebene vorgeschlagen

Und weiter: Bundesrat Beat Jans habe ein Treffen auf Ministerebene vorgeschlagen, eine Antwort stehe bisher aus. Jans sei überzeugt, dass die Schengen-Staaten die Herausforderungen der Migration nur gemeinsam bewältigen können, heisst es weiter. Er halte auch fest, dass es dabei immer um Menschen gehe, darunter vulnerable Personen, Frauen und Kinder.

Weniger Asylgesuche als letztes Jahr

Box aufklappen Box zuklappen

Im vergangenen Jahr stellten 229'751 Menschen erstmals in Deutschland einen Asylantrag. Das waren rund 100'000 Asyl-Erstanträge weniger als im Jahr zuvor. Zu den Hauptherkunftsländern gehören derzeit Syrien, Afghanistan und die Türkei.

Eine Hauptursache für den Rückgang ist nach Einschätzung des Chefs des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Hans-Eckhard Sommer, dass Serbien im November 2023 die Flüchtlingsroute nach Ungarn faktisch gesperrt habe. Ob dies dauerhaft so bleiben werde, sei offen, sagte Sommer in einer Rede Ende März.

In der Ampel-Koalition gab es anfangs kaum Befürworter fester Grenzkontrollen, die im sogenannten Schengen-Raum eigentlich nicht vorgesehen sind. Dennoch hatte die ehemalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nicht nur die 2015 begonnenen Kontrollen an der Landgrenze zu Österreich mehrfach verlängert.

Polens Ministerpräsident mahnt Merz bei Grenzzurückweisungen

Box aufklappen Box zuklappen

Polens Ministerpräsident Donald Tusk hat Bundeskanzler Friedrich Merz aufgefordert, keine einseitigen Schritte bei Grenzzurückweisungen vorzunehmen. Polen haben massiv in den Schutz der EU-Aussengrenzen investiert, aber nicht den der Binnengrenzen, in denen der Pendlerverkehr nicht behindert werden sollte, sagte Tusk in Warschau nach einem Treffen mit Merz. «Ich verstehe das Bedürfnis nach verstärkten Grenzkontrollen. Aber das sollte vor allem für die Aussengrenzen gelten.»

Tusk warnte mit Blick auf den kleinen Grenzverkehr: «Die schlimmste Lösung wäre, wenn wir jetzt plötzlich Kontrollen einführen. (...) Wenn jemand Kontrollen einführt an der polnischen Grenze, an der Grenze zu Polen, wird Polen auch seinerseits Kontrollen einführen.»

Merz vermied eine klare Aussage zu den von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) angekündigten Massnahmen, betonte aber die nötigen Absprachen mit den EU-Nachbarländern. «Deutschland wird hier mit anderen zusammen darauf drängen, dass wir – wo immer möglich – gemeinsame europäische Regeln entwickeln», sagte er.

«Wir werden auch Grenzkontrollen vornehmen in einer Art und Weise, die für unsere Nachbarn verträglich ist.» Er habe noch auf dem Weg nach Warschau mit Dobrindt telefoniert und «ihn auch gebeten, diesen Kontakt jederzeit zu suchen mit den europäischen Nachbarn». Auf die von Dobrindt verkündeten Massnahmen zur Zurückweisung ging Merz nicht direkt ein.

Sie hatte solche temporären Kontrollen Mitte Oktober 2023 auch für die Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz angeordnet und bei der EU-Kommission notifiziert. Im vergangenen September entschied sie dann, dass es feste Kontrollen – die eine Voraussetzung für Zurückweisungen sind – auch an den restlichen Grenzabschnitten geben solle.

SRF 4 News, 7.5.2025, 19 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel