Zum Inhalt springen

Header

Video
China betreibt seit Jahrzehnten Geschichts-Klitterung
Aus 10 vor 10 vom 30.09.2019.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 56 Sekunden.
Inhalt

Geschichtsschreibung in China Chinesische Schüler lernen «Dummheiten»

In Schulbüchern fehlen zum Teil ganze Kapitel. Die Kommunistische Partei Chinas tut sich schwer mit der Vergangenheit.

«Die Schüler lernen Dummheiten», sagt Jean-Pierre Cabestan. Der Politologieprofessor von der Hongkong Baptist University blättert in einem aktuellen Schulbuch für Gymnasiasten. Der Titel: «Moderne und zeitgenössische Geschichte Chinas». Herausgeber: Chinas staatlicher Lehrmittelverlag.

Laut Cabestan fehlen im Schulbuch wichtige Zahlen und Ereignisse. Zum Beispiel: Ende der 1950er Jahre versuchte der damalige Vorsitzende der Partei, Mao Tsetung, das noch bäuerliche Riesenreich zu industrialisieren. China setzte zum sogenannten «Grossen Sprung nach vorn» an. Doch die durchgeführten Kampagnen waren ein Fehlschlag.

Chinesisches Mädchen hält Buch, darin ein Bild von Mao.
Legende: Dass der «Grosse Sprung von vorn» auch Millionen von Hungertoten brachte, fehlt in der chinesischen Geschichtsschreibung über Mao Tsetung. Reuters

Auseinandersetzung mit den Fehlern der Partei: unerwünscht

Der «Grosse Sprung nach vorn» verursachte eine der schlimmsten Hungerkatastrophen der Weltgeschichte mit je nach Schätzung 30 bis 50 Millionen Toten. Diese Zahlen sieht der Professor im Lehrmittel nirgends. Auch die blutige Niederschlagung der Studenten-Proteste 1989, die als Tiananmen-Massaker bekannt wurden, fehlt.

Geschichte ist in China zutiefst politisch.
Autor: Jean-Pierre Cabestan Professor für Politologie

«Die Kommunistische Partei will nicht, dass man sich mit ihren Fehlern und Schwächen auseinandersetzt», erklärt Cabestan. «Geschichte ist in China zutiefst politisch. Diese darf nicht den Historikern überlassen werden. Die Partei entscheidet, welche Geschichte gelehrt wird.»

Panzer. Davor steht ein Mensch. Es ist ein historisches Bild von 1989.
Legende: Über die als Tiananmen-Massaker bekannten Ereignisse von 1989 steht in manchen Geschichtsbüchern nichts. Reuters

Was der Partei nicht passt, wird blockiert

China zensiert nicht nur Schulbücher. Eine Debatte über die Geschichte findet ebenso wenig in den Zeitungen, Radio und Fernsehen statt. «China hat von Beginn weg das sowjetische Modell verfolgt und betrachtet die Medien als Propagandamaschine», erklärt Medienforscher King-wa Fu. Dasselbe gelte für das Internet: «Themen, die der Partei nicht passen, werden blockiert.»

Möglich macht das die sogenannte Great Firewall. Dieser digitale Schutzwall trennt das chinesische Internet vom Rest der Welt. Zensiert werden Themen wie das Tiananmen-Massaker aber auch politische Aktualität. Kurz: alles was nicht auf Regierungslinie ist.

Häufig gesperrt: «Donald Trump» und «Hongkong»

Von seinem Labor aus an der Universität Hongkong beobachtet King-wa Fu was in diesem geschlossenen Netzwerk vor sich geht. 40 Smartphones folgen rund 3000 Benutzerkonten auf Chinas wichtigster sozialer Plattform WeChat. Laut seiner Anti-Zensur-Webseite Wechatscope zählten vor einer Woche Begriffe wie «Donald Trump» «China» und «Hongkong» zu den am häufigsten gesperrten Wörtern.

Die Kommunistische Partei hat viel zu viel Angst davor an Einfluss einzubüssen.
Autor: Jean-Pierre Cabestan Professor für Politologie

Der Medienforscher und der Politologieprofessor sehen keine Anzeichen dafür, dass sich China unter der aktuellen Führung auf eine Geschichtsdebatte einlässt. Jean-Pierre Cabestan: «Die Kommunistische Partei hat viel zu viel Angst davor an Einfluss einzubüssen. Und das ist es, was die Partei am meisten fürchtet, dass sie die Kontrolle verliert.»

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel