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Gespräche zum Ukrainekrieg Putin manipuliert Trump nach Belieben

Spätestens am Mittwochnachmittag war klar: Wladimir Putin reist nicht nach Istanbul. Der Kremlchef hatte eine Wiederaufnahme direkter Gespräche mit der Ukraine in der Türkei vorgeschlagen – ein Ausweichmanöver nach dem EU-Ultimatum, einer 30-tägigen Waffenruhe zuzustimmen. Als Donald Trump am Vortag des Gipfels sagte, Putin komme wohl nicht, wenn er selbst nicht auch dabei sei, nahm der Kreml den Steilpass dankend an.

Putin will in Trumps Augen friedensbereit wirken. Darum konterte er das Ultimatum mit dem Gesprächsvorschlag. Ein Treffen mit Wolodimir Selenski war nie sein Ziel – Russlands Propaganda stellt den gewählten ukrainischen Präsidenten als illegitimen Diktator dar. Ein Gespräch auf Augenhöhe mit dem «Kopf des Kiewer Nazi-Regimes» würde Putins Narrativ – und sein Image – schwächen.

Entsprechend setzte Selenskis Ankündigung, er werde in Istanbul auf Putin warten, den Kremlchef unter Druck. Auch Selenski spielt seine Rolle in diesem Theater, alle Seiten buhlen um Trumps Gunst: Die Europäer mussten ihr Ultimatum nach Putins Angebot aufschieben, um in Washington nicht als Verhinderer aufzutreten.

Eiertanz um Trump

Keine Partei kann die USA ignorieren: Die EU und Kiew sind weiterhin auf US-Hilfe angewiesen, um die ukrainische Unabhängigkeit zu verteidigen; Russland hofft, Trump werde die Sanktionen aufheben und Kiew den Rücken zukehren. Die «Friedensverhandlungen» verkommen zum Eiertanz um den impulsiven und leichtgläubigen Trump.

Dabei gesteht der US-Präsident offenbar Putin den grössten Spielraum zu: Dass der Kreml eine Waffenruhe – Trumps vorgebliches Ziel – erneut ablehnte, ignorierte das Weisse Haus. Putin zeigt immer wieder, dass er es mit einem Frieden nicht ernst meint: mit seinem Nichterscheinen in Istanbul, aber auch mit dem Chefunterhändler, der an seiner Stelle hinreist.

Dieser Unterhändler, Wladimir Medinski, hat keine Entscheidungsbefugnisse und ist kein Diplomat. Der ehemalige Kulturminister steht für das Umschreiben der Geschichte in russischen Schulbüchern – mit dem Ziel, imperiale Ansprüche an die Ukraine zu rechtfertigen. Putin lässt die ukrainische Seite wissen, wie wenig er sie respektiert – und hofft wohl, dass Trump das nicht versteht.

Inakzeptable Forderungen

Zudem führte Medinski schon die ersten Gespräche in Istanbul im Frühling 2022. Diese scheiterten nicht an westlichem Druck auf Kiew, wie Russland gerne behauptet, sondern an russischen Forderungen, die die Ukraine nicht annehmen konnte: erst eine massive Reduktion der ukrainischen Armee – ohne den Abzug der russischen Truppen vor den Toren Kiews, dann Sicherheitsgarantien für die Ukraine, aber mit einem Vetorecht für Russland, dem Aggressor. Diese Forderungen sind durch zahlreiche Dokumente belegt.

Das alles spricht dafür, dass Putin auch die Neuauflage der Treffen in Istanbul nicht seriös angeht. Es ist nicht in seinem Interesse, die Kämpfe einzustellen – seine Armee hat momentan die Oberhand. Warum sollte er sich mit der Ukraine einigen, wenn er sie unterwerfen könnte? Denn das ist das Ziel seiner «Spezialoperation», nicht die «Befreiung russischer Länder» oder die Beseitigung einer Bedrohung für Russland: Trumps Angebot, Russlands Eroberungen faktisch anzuerkennen und die Ukraine aus der Nato auszuschliessen, liess Putin unbeeindruckt.

Trotzdem beweist Donald Trump immer wieder, dass er glaubt, mit dem Kreml verhandeln zu können. Auch deswegen ist diese Friedensinitiative eine Farce: Weil Putin Trump offenbar nach Belieben manipulieren kann.  

Calum MacKenzie

Russland-Korrespondent

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Calum MacKenzie ist Russland-Korrespondent von Radio SRF. Er hat in Bern, Zürich und Moskau Osteuropa-Studien studiert.

SRF 4 News, 15.5.2025, 6:20 Uhr

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