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Ärztin in Somalia: Helfen, wo kein Staat ist
Aus Echo der Zeit vom 17.12.2021. Bild: SRF/Anna Lemmenmeier
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Gesundheitswesen am Ende «Viele Somalierinnen haben noch nie einen Arzt gesehen»

Somalia hat eines der schwächsten Gesundheitswesen der Welt. Jedes achte Kind stirbt vor seinem fünften Geburtstag, kaum sonst wo ist die Müttersterblichkeit derart hoch. Was es bedeutet unter solchen Umständen zu arbeiten, zeigt die Gynäkologin Deqo Mohamed.

Deqo Mohamed arbeitet in einem Gesundheitswesen, das diesen Namen gar nicht verdient. Die somalische Regierung gibt gerade mal 1.3 Prozent des ohnehin schon mickrigen Staatsbudgets aus für Gesundheit.

Schwerkranke könne man in Somalia nicht behandeln, so die Gynäkologin: «Wer immer das Geld hat, verlässt das Land sofort, wenn er ernsthaft krank ist.» In Somalia gibt es viel zu wenig gut ausgebildetes Gesundheitspersonal, aber auch die Infrastruktur fehlt: Kliniken, Medikamente.

Das führe dazu, dass Somalierinnen bei traditionellen Heilerinnen Hilfe suchen, erklärt Deqo Mohamed: «Rund ein Viertel meiner Patientinnen haben Verbrennungen. Sie gehen mit Entzündungen im Intimbereich aufs Land und lassen sich dort behandeln. Dort nimmt irgendeine Frau, die vermeintlich Hilfe bietet, dann ein Stück heisses Eisen und verbrennt die gesamte Vagina.»

Plastische Chirurgie sein ein grosser Teil ihrer Arbeit. Und das alles, weil irgendeine verrückte Grossmutter meine, die Patientin mit einem heissen Eisen zu behandeln.

Deqo Mohamed in einem Spitalzimmer.
Legende: Deqo Mohamed arbeitet einen Tag pro Woche in der Klinik ihrer Schwester in Mogadischu. SRF/Anna Lemmenmeier

Die Ärztin schüttelt den Kopf. Kommt dazu: Fast alle Frauen in Somalia sind beschnitten. Das habe ebenfalls einen Einfluss auf die derart hohe Müttersterblichkeit, erklärt Deqo Mohamed in ihrem Sprechzimmer.

Manchmal kämen Frauen wegen starker Schmerzen zu ihr, nachdem sie zehn Kinder auf die Welt gebracht haben. «Es ist klar, dass du Schmerzen hast, dein Körper ist verstümmelt. Das ist das einzige, was ich diesen Frauen sagen kann». Wegen der Art und Weise wie die Frauen beschnitten und wieder zusammengenäht wurden, könne sie kaum etwas für die Patientinnen tun.

Keine Gesundheitsversorgung auf dem Land

Deqo Mohamed arbeitet einen Tag in der Woche in der Klinik ihrer Schwester in der Hauptstadt. Mit diesen Einnahmen finanziert die Somalierin ihre Arbeit auf dem Land. Denn auch wenn die Gesundheitsversorgung in Mogadischu schlecht sei, auf dem Land sei gar nichts vorhanden. Denn in Somalia gibt es in weiten Teilen des Landes keinen Staat und somit keine Dienstleistungen.

Schild einer Klinik
Legende: In der Hauptstadt Mogadischu gibt es Kliniken. Auf dem Land dagegen ist die Gesundheitsversorgung inexistent. SRF/Anna Lemmenmeier

Seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs vor 30 Jahren hatte das Land nie mehr eine funktionierende Regierung. Weite Teile des Staatsgebiets sind unter der Kontrolle der dschihadistischen Al-Shabaab-Miliz und somit unzugänglich für die Regierung. Weil die Regierung keinen Zugang hat zu weiten Teilen des Landes, gibt es nicht einmal statistische Daten.

Etwa zum Ausmass und den Gründen der hohen Kinder- und Müttersterblichkeit. «Ich habe Frauen getroffen, die noch nie beim Arzt gewesen sind. Sie sagen mir: ich habe 20 Kinder geboren, zehn sind gestorben.» Darum glaubt die Ärztin, dass die Kindersterblichkeit wohl noch höher ist als bisher angenommen.

Um endlich Gesundheitsdaten aus Somalia zu haben, hat die energische Gynäkologin dieses Jahr nun ein Forschungsinstitut aufgebaut. Auch nach so vielen Jahren im Dienste der Gesundheit unter schwierigen Bedingungen – Deqo Mohamed gibt nicht auf.

Echo der Zeit, 17.12.2021, 18:00 Uhr

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