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Kreml soll Journalistinnen im Ausland vergiftet haben
Aus Rendez-vous vom 17.08.2023. Bild: REUTERS/Evgenia Novozhenina
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Giftanschläge Moskaus langer Arm reicht bis ins Exil

Moskaus langer Arm reicht bis ins Exil. Giftanschläge auf Oppositionelle und Überläufer des Geheimdienstes sind bekannt. Nun soll der Kreml auch versucht haben, zwei Journalistinnen und eine Aktivistin im Ausland zu vergiften – in Deutschland, Tschechien und Georgien. Das zeigen Recherchen des russischen Investigativ-Portals «The Insider», welche auch dem «Spiegel» vorliegen.

Calum MacKenzie

Russland-Korrespondent

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Calum MacKenzie ist Russland-Korrespondent von Radio SRF. Er hat in Bern, Zürich und Moskau Osteuropa-Studien studiert.

Wer sind die Opfer der mutmasslichen Giftanschläge?

Bei den drei Frauen handelt es sich um kremlkritische Russinnen im Exil, die ziemlich unterschiedlich sind. Zum einen die Journalistinnen Jelena Kostjutschenko und Irina Bablojan. Zum anderen Natalija Arno von der Free Russia Foundation. Kostjutschenko ist eine sehr bekannte und angesehene Journalistin, die beiden anderen sind weniger bekannt, was die Brisanz der mutmasslichen Vergiftungsfälle aber noch erhöht.

Wie haben die drei Frauen die Anschläge erlebt?

Alle drei haben die Anschläge überlebt, kämpfen aber bis heute mit gesundheitlichen Problemen. Die Journalistinnen zeigten unabhängig von Ort und Zeit ähnliche Symptome: Kopf- und Bauchschmerzen, Schwellungen im Gesicht und an den Händen, Herzrasen und Müdigkeit. Kostjutschenko wurde in Deutschland krank, Bablojan in Georgien. Beide liessen sich nicht sofort untersuchen. Fachleute gehen aufgrund der Symptome und späterer Untersuchungen von Vergiftungen aus. Arno erkrankte in Prag und liess sich wenige Tage später in den USA untersuchen. Sie hatte eine Vergiftung vermutet, nachdem sie die Tür zu ihrem Hotelzimmer offen vorgefunden hatte. Die Ärzte fanden bei ihr eine neurotoxische Substanz.

Wie plausibel ist die aktive Rolle des Kremls?

Der Kreml hat das offensichtlichste Motiv für solche Anschläge auf missliebige Stimmen in Ausland. Auch tragen die Fälle die Handschrift der russischen Geheimdienste, welche den Zugang zu solchen Giftstoffen haben und sie gerne einsetzen. Das belegen prominente Fälle wie jene von Sergej Skripal und Alexej Nawalny. Vor allem in Russland wurden in den letzten Jahren mehrere Oppositionelle Opfer von Giftanschlägen.

Ist es eine neue Qualität der russischen Repression?

Es ist bezeichnend, dass sich die Journalistinnen erst Monate nach der Erkrankung untersuchen liessen. Denn sie hatten nach eigenen Angaben nie erwartet, dass man sie vergiften will. Wenn der Kreml tatsächlich hinter den neuesten Vergiftungen steckt, werden Medienschaffende und Aktivistinnen auch im Ausland nun zur Zielscheibe des Geheimdienstes. Die Giftanschläge des russischen Geheimdienstes richteten sich bis anhin entweder gegen Abtrünnige aus den eigenen Reihen, oder man wollte prominente Politiker wie Nawalny beseitigen. Nun sollen offenbar alle eingeschüchtert werden, die sich gegen das Regime einsetzen.

Wie reagieren Russinnen und Russen im Exil?

Expertinnen und Experten gehen in den neuen Fällen davon aus, dass die eingesetzten Giftmengen die Frauen krank machen, aber nicht töten sollten. Sie sollten an der Weiterarbeit gehindert werden – ohne so viel Aufmerksamkeit zu wecken wie etwa bei einer Ermordung. Das ist vor allem bei Kostjutschenko plausibel, die viel zur Aufdeckung russischer Kriegsverbrechen in der Ukraine leistete. Der Kreml hatte nach der Ukraine-Invasion die unabhängige Medienszene in Russland erstickt. Diese versucht, vom Ausland aus zu arbeiten, und wähnte sich bisher weitgehend sicher. Nur kursieren unter diesen Medienschaffenden bereits Warnungen, Speisen und Getränke, aber auch Zahnpasta und Bodylotion nicht unbeaufsichtigt zu lassen.

Rendez-vous, 17.08.2023, 12:30 Uhr ; 

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