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Matrjoschkas mit Putin und Trump.
Legende: In Helsinki werden schon vor dem Gipfeltreffen Matrjoschkas mit Putin und Trump verkauft. Reuters

Gipfeltreffen Russland-USA Zwei, die sich stark fühlen

Die Erwartungen an das Gipfeltreffen zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und US-Präsidenten Donald Trump in Helsinki sind bescheiden. Welches sind die Hauptthemen des Treffens in Finnland?

Der Nordatlantikpakt Nato: Sie dürfte vor allem auf russischer Seite eine Schlüsselrolle spielen. Wladimir Putin möchte weniger Nato. Vor allem keine Vergrösserung der Militärallianz. Und am liebsten auch die neuen, allerdings bescheidenen Nato-Truppenkontingente im Baltikum und in Polen loswerden. Ausserdem soll das westliche Bündnis künftig keine Militärmanöver mehr in Osteuropa durchführen.

Donald Trump ist der am wenigsten Nato-freundliche US-Präsident seit der Schaffung der Allianz nach dem Zweiten Weltkrieg. Zwar hat er auf dem Nato-Gipfel der Ankündigung von Beitrittsgesprächen mit dem kleinen Mazedonien zugestimmt. Doch abgesehen davon hat er viel getan, um das Bündnis zu schwächen, indem er drohend andeutete, die USA könnten auch «ihr eigenes Ding tun». Also sich abwenden von der wichtigsten Organisation, welche Europäer und Nordamerikaner bisher zusammenschweisste.

Indem Trump die Bündnissolidarität und die Geschlossenheit grundsätzlich in Frage stellte, hat Trump bereits vor dem Gipfeltreffen Putin ein grosses Geschenk gemacht.

Denn selbst, wenn die europäischen Nato-Partner nun ihre Verteidigungsbudgets erhöhen, geht die Militärallianz geschwächt aus ihrem jüngsten Gipfel hervor. In Moskau dürfte man sich gewaltig freuen.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

Die Krise in der Ukraine: Zwar sehen die meisten klassischen US-Republikaner die russische Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim nach wie vor als gewaltiges Problem und halten sie für inakzeptabel. Genauso wie die russische Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine. Doch für Trump selber hat die Ukraine-Krise keine Priorität. In Washington zirkulieren gar Gerüchte, der Präsident könnte auf dem «Altar einer Männerfreundschaft» mit Putin die Krim opfern und Russlands Herrschaft dort anerkennen.

Trump könnte auf dem Altar einer Männerfreundschaft mit Putin die Krim opfern und Russlands Herrschaft dort anerkennen.

Für die Nato ist das ein Horrorszenario, ebenso wie für alle Verfechter des Völkerrechts. Denn damit würden sämtliche Anstrengungen der letzten Jahre müssig, Druck auf Moskau auszuüben wegen der Krim-Annexion. Was sollten die übrigen Staaten erreichen wollen, wenn die Supermacht USA den Ist-Zustand gutheisst?

Die Wirtschaftssanktionen: Wladimir Putin hat ein ganz klares Ziel – die westlichen, vor allem auch die amerikanischen Sanktionen gegen Russland loszuwerden. Sie schaden der russischen Wirtschaft. Allerdings haben sie zugleich den Vorteil, dass der Kreml die wirtschaftlichen Probleme Russlands dem «bösen Westen» anlasten kann. Und sie dürften viele Russen zudem zum nationalen Schulterschluss bewegen.

Trump hat in Sachen Sanktionen nur einen beschränkten Handlungsspielraum.

Dennoch: Eine Aufhebung der Sanktionen wäre für Russlands stark angeschlagene Wirtschaft vorteilhaft. Trump hat jedoch in Sachen Sanktionen nur einen beschränkten Handlungsspielraum. Noch will die republikanische Mehrheit in beiden Kammern des US-Parlamentes daran festhalten.

Der Krieg in Syrien: Auch in Syrien hat Russland ein klares Ziel – die USA haben keines. Putin möchte, dass sich die USA ganz zurückziehen. Damit würde Moskaus Rolle als Ordnungsmacht in der Region gestärkt.

Trump könnte zu einem Truppenabzug Hand bieten, denn Syrien interessiert ihn kaum.

Stillschweigend haben die USA bereits in den vergangenen Monaten Abstand genommen von ihrem früheren Ziel, das Assad-Regime zu stürzen. Inzwischen scheint man in Washington gut damit leben zu können, dass die aktuelle Diktatur in Syrien fortbesteht.

Das einzige Zugeständnis, das Trump für einen Truppenabzug einfordern könnte, besteht darin, dass Russland im Gegenzug dafür sorgt, dass der Iran keine Truppen mehr in der Nähe der israelischen Grenze stationiert. Indirekt würden die Amerikaner damit aber anerkennen, dass im restlichen Syrien sehr wohl iranische Streitkräfte auf Dauer präsent bleiben.

Verhandlungen über Atomwaffen: Es handelt sich um einen der wenigen Bereiche, in denen der Gipfel in Helsinki – wenn er denn erfolgreich verläuft – etwas Positives für beide Seiten, ja für die ganze Welt, bewirken könnte. Wenn nämlich die USA und Russland sich im Grundsatz darauf einigten, dass das im Jahr 2021 auslaufende «New START»-Abkommen über die nukleare Abrüstung verlängert wird. Die aktuelle atomare Aufrüstung würde damit zumindest ein klein wenig gebremst. Noch besser wäre es, wenn man beschlösse, darüber hinaus Gespräche aufzunehmen über das Abkommen über nukleare Mittelstreckenwaffen INF. Dieser enorm wichtige Vertrag ist nämlich akut gefährdet. Er hatte in den vergangenen Jahrzehnten Europa frei von atomaren Mittelstreckenwaffen gemacht. Washington und Moskau beschuldigen einander gegenseitig, das Abkommen zu verletzen. Gespräche wären dringlich, um es wieder festzuzurren.

Doch was wird derzeit schon nüchtern entschieden in der Weltpolitik?

Nüchtern betrachtet, müssten beide Seiten ein Interesse daran haben. Doch was wird derzeit schon nüchtern entschieden in der Weltpolitik? Noch besser wäre es, wenn man ebenfalls in Gespräche und später Verhandlungen träte zur konventionellen Abrüstung und über die gegenseitige Cyber-Bedrohung. Hoffen darf man immer. Allzu viel erwarten jedoch nicht. Denn all das setzt voraus, dass zwischen dem Kreml und dem Weissen Haus tatsächlich wieder ein Vertrauen wächst, das über eine gegenseitige Sympathie zwischen Putin und Trump hinausgeht.

Einmischung in den US-Wahlkampf: Es gibt immer mehr Belege dafür, dass sich Russland stark in den US-Präsidentschaftswahlkampf eingemischt hat. Gegen die Kandidatin Hillary Clinton, zugunsten von Donald Trump. Eben erst wurde in den USA Strafklage erhoben gegen zwölf russische Spione, welche Computer der Demokraten gehackt haben sollen.

Für Trump ist die ganze Sache überaus lästig, auch wenn das Risiko gering ist, dass er deswegen abgesetzt wird.

Für Trump ist die ganze Sache überaus lästig, auch wenn das Risiko gering ist, dass er deswegen abgesetzt wird. Er dürfte interessiert sein, dass nach den Gipfelgesprächen zu diesem Thema möglichst wenig nach aussen dringt, da die russische Einmischung seinen Wahlsieg in ein schiefes Licht bringt. Möglicherweise gibt es am Ende ein russisches Bekenntnis, sich nicht in ausländische Wahlkämpfe einzumischen. Man mag das dann glauben. Oder auch nicht.

Menschenrechte und Demokratie: Sie waren bei früheren Gipfeltreffen zwischen amerikanischen und russischen bzw. früher sowjetischen Präsidenten stets ein zentrales Thema. Nicht zuletzt auf dem historischen Gipfel 1975, ebenfalls in Helsinki.

Diesmal dürfte über diese Themen kaum gesprochen werden.

Putin sind die Menschenrechte ohnehin kein Anliegen, ja sogar lästig. Trump sieht das, anders als sämtliche seiner Vorgänger, ebenfalls so.

Auffallend beim unmittelbar bevorstehenden Gipfeltreffen von Helsinki ist, dass die Russen konkrete Vorstellungen haben, was sie erreichen möchten. Die Amerikaner hingegen nicht. Putin hat eine Strategie, Trump vor allem sein Ego anzubieten. Der Vorteil liegt also klar auf der Seite Moskaus.

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