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Gotteskrieger und Grossmächte Das sind die Akteure im Krieg in Nordsyrien

Glühende Dschihadisten und kriegsmüde Aktivisten, ein paralysierter Westen, zynische Grossmächte und einsame Kurden.

Die türkische Offensive in Nordsyrien betrifft ein kompliziertes Geflecht von Akteuren. Das sind wichtigsten Parteien im Konflikt:

Die Kurden: Verdammt zur Allianz mit Assad

Die kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) sind die dominierende Kraft im Norden und Osten Syriens. Sie führen auch die Syrischen Demokratischen Kräfte an, die – unterstützt von den USA – den IS zurückschlugen. Assads Vater bürgerte die Kurden einst aus, der Sohn setzte die Repression fort.

Die Allianz mit Assad und Russland schafft den Kurden in Syrien keine neuen Freunde.
Autor: Susanne Brunner Nahost-Korrespondentin von SRF

Nun haben sie einen gemeinsamen Feind: die Türkei. «Beide wollen sie nicht in Syrien», erklärt Nahost-Korrespondentin Susanne Brunner. «Die Kurden mussten aber in einen sehr sauren Apfel beissen.» Garantien gebe es von Assad keine – dafür neue Gegner.

Bundesrat fordert Türkei auf, Kampfhandlungen einzustellen

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Der Bundesrat verurteilt den militärischen Eingriff der Türkei in Syrien. Er nennt ihn einen Verstoss gegen die UNO-Charta und somit völkerrechtswidrig. Von der Türkei fordert er, die Kampfhandlungen einzustellen.

Stattdessen solle die Türkei auf dem Verhandlungsweg auf eine sofortige Deeskalation und eine politische Lösung hinwirken, schreibt der Bundesrat. Vergangene Woche hatte Aussenminister Ignazio Cassis die Operation der Türkei in Nordsyrien als krasse Verletzung des internationalen Völkerrechts kritisiert.

Die Akteure in Nordsyrien rief der Bundesrat auf, alle verfügbaren diplomatischen Mittel zu nutzen. «Nur eine politische Lösung im Rahmen des UNO-Friedensprozesses in Genf wird es ermöglichen, die Ursachen des Konflikts anzugehen», hält der Bundesrat fest. Die Schweiz unterstütze die Bemühungen des UNO-Sonderbeauftragten für Syrien, einen syrischen Verfassungsausschuss in Genf einzuberufen.

YPG-Kämpfer
Legende: «Bislang haben sich die Kurden auf keine Seite im syrischen Bürgerkrieg geschlagen», sagt Brunner. Der Deal mit Assad und damit auch Russland ändere dies nun. Die Rebellen werden es sich merken. Reuters

Die Türkei: Erdogans Himmelfahrtskommando

Für Ankara ist die YPG-Miliz ein Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit eine Terrororganisation. Die Strukturen, die die Kurden entlang der Grenze aufgebaut haben, sind Erdogan ein Dorn im Auge. Dort soll eine «Sicherheitszone» entstehen, in der syrische Flüchtlinge angesiedelt werden können.

Die Experten sind sich einig: Der Umsiedlungsplan lässt sich nicht umsetzen.
Autor: Thomas Seibert Journalist in Istanbul

Für Journalist Thomas Seibert sind die Pläne zum Scheitern verurteilt. In der Region gebe es kaum Infrastruktur, keine Jobs, schlicht keine Lebensgrundlage für die meist arabischen Flüchtlinge: «Sie wollen nicht dahin.»

Syrische Flüchtlinge 2013
Legende: Die Türkei will verhindern, dass an der eigenen Grenze ein «Terrorstaat» entsteht. Eine Rolle spielt wohl auch, dass wegen der schlechten Wirtschaftslage die Gastfreundschaft gegenüber den Flüchtlingen kippt. Reuters

Syrien-Russland: Putins Werk und Assads Beitrag

Man werde der «türkischen Aggression entgegentreten», hiess es aus Damaskus. Das Regime unterhält ein gespaltenes Verhältnis zu den Kurdenmilizen – teilweise kooperierten sie, teilweise bekämpften sie sich. Nun herrscht eine Koalition auf Zeit.

Die Russen betreiben eine extreme Realpolitik: Sie reden mit jedem und loten eigene Interessen aus. Kalt, berechnend, auch zynisch – aber erfolgreich.
Autor: David Nauer SRF-Korrespondent in Moskau

Der Machtfaktor in Syrien ist der Kreml. Er unterstützt nicht nur Assad militärisch, er pflegt auch Kontakte zu den Kurden und verhandelt mit der Türkei und dem Iran über Syriens Zukunft. Das klingt kompliziert und konfliktreich. «Die Russen können mit Widersprüchen aber umgehen, solange sie ihren Interessen dienen», sagt Korrespondent David Nauer.

Assad und Putin auf einem Graffiti.
Legende: Die Ziele des Kremls: Erdogan an sich binden und den Verbündeten Assad stützen. «Nur die Kurden verlieren – sie sind für Moskau kein relevanter Machtfaktor», sagt Korrespondent Nauer. Reuters

Nato und UNO: Die Ohnmächtigen

Die Türkei ist der Brückenkopf der Nato in den Unruheherd Nahost – und zugleich Bollwerk dagegen. «Die Nato lehnt den Angriffskrieg der Türkei ab. Aber sie duckt sich und laviert», erklärt Fredy Gsteiger. Denn grundsätzlich sei das Bündnis zu gegenseitiger Solidarität verpflichtet, auch wenn die Türkei den Wertekodex der Nato arg strapaziere.

Die Nato-Staaten stecken im Dilemma zwischen Prinzipien, Pragmatismus und ein Stück weit Zynismus.
Autor: Fredy Gsteiger Diplomatischer Korrespondent von SRF

Ein Bruch mit der Türkei könnte den Westen teuer zu stehen kommen: «Es gibt Ängste, dass die Türkei dann nicht ein neutrales Land an der Nato-Grenze wäre, sondern aktiver Gegner im Verbund mit Russland.» Ähnlich vertrackt ist die Lage bei der UNO. Die türkische Operation sei zwar klar völkerrechtswidrig, so der diplomatische Korrespondent. Auf eine Resolution oder gar Sanktionen werde sich der Sicherheitsrat aber kaum einigen: «Russland ist dagegen und ein Stück weit auch die USA.»

Erdogan
Legende: Bruch oder Solidarität mit dem schwierigen Partner? «Die Nato-Staaten stecken im Dilemma zwischen Prinzipien, Pragmatismus und ein Stück weit Zynismus», sagt Gsteiger. Reuters

Die USA: Supermacht ohne Kompass

US-Präsident Trump hat dem türkischen Einmarsch den Weg bereitet, indem er nach einem Telefonat mit Erdogan US-Truppen aus dem Grenzgebiet zurückzog. Von einem Freifahrtschein für Erdogan will Trump aber nichts wissen und droht mit harten Sanktionen.

In Nordsyrien herrscht das Kriegs-Chaos – in Washington ein Regierungs-Chaos.
Autor: Isabelle Jacobi SRF-Korrespondentin in Washington

Die US-Administration sei überfordert mit dem eigenen Präsidenten, erklärt Korrespondentin Isabelle Jacobi: «Das Pentagon hinkt hinten nach. Das Aussenministerium bezieht sich auf Tweets. Die Departemente passen die Positionen laufend an, einem improvisierenden Präsidenten nacheilend.»

US-Präsident Trump
Legende: Auf die harsche Kritik antwortet Trump: «Ich habe immer gesagt, dass ich diese endlosen, sinnlosen Kriege nicht kämpfen will – besonders jene, die den USA nicht nützen.» Reuters

Die «Zuschauer»: Aktivisten und Dschihadisten

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Von unbewaffneten Demokratieaktivisten der ersten Stunde bis zu dschihadistischen Kriegsveteranen: In der Region um die Stadt Idlib im Nordwesten verharren die eigentlichen Gegner des Assad-Regimes. Sie haben nach acht Jahren Krieg den grössten Teil ihrer früheren Gebiete verloren. Die schlagkräftige Dschihadistenmiliz Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS) unterhält Beziehungen zur Türkei: «Sie kontrollieren die Grenze im Nordwesten, unterbinden Drogenschmuggel und liefern Gesuchte an die Türkei aus», berichtet Korrespondentin Brunner. Zwar misstraue der HTS Ankara, der gemeinsame Gegner Assad eine sie aber auch.

Profitieren vom Machtvakuum in der Region könnte aber der IS, warnt die Korrespondentin: «Solange die Offensive der Türkei andauert, hat niemand Zeit, sich um die Terrormiliz zu kümmern.» Die Kurden seien absorbiert. Für das Assad-Regime sei der IS in der Vergangenheit immer mal wieder nützlich gewesen, auch wenn ihm das Wiedererstarken nicht passen könne. Die Türkei schliesslich wolle verhindern, dass IS-Kämpfer und ihre Familien über die Grenze ins Land gelangten. Brunner schliesst: «Ein Erstarken des IS wäre für die ganze Region eine Katastrophe.»

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