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Great Barrier Reef Geld zur Rettung der Korallen: Ein Tropfen auf ein heisses Riff

Eine Milliarde australische Dollar will der Staat Australien zum Schutz des Great Barrier Reefs ausgeben. Verteilt auf neun Jahre soll ein Grossteil des Geldes dafür verwendet werden, die Verschmutzung des Riffs durch schädliche Abwässer aus der Landwirtschaft zu verhindern. Ein Viertel soll für die Bekämpfung des Dornenkronenseesterns eingesetzt werden. Dieser frisst die Korallen. SRF-Mitarbeiter Urs Wälterlin über die guten Absichten und die politischen Hintergedanken des australischen Premiers Scott Morrison.

Urs Wälterlin

Mitarbeiter Australien/Ozeanien

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Der gebürtige Prattler Urs Wälterlin lebt seit 1992 in der Nähe der australischen Hauptstadt Canberra. Er berichtet für SRF über Australien, Neuseeland und Ozeanien.

SRF News: Was sollen die Massnahmen konkret bewirken?

Urs Wälterlin: Man darf der Regierung zugutehalten, dass in den letzten Jahren einiges erreicht worden ist, sowohl bei der Kontrolle eben der Sedimente, die ins Riff fliessen und dann die Korallen ersticken. Und auch im Kampf gegen diese Seesterne, die von Tauchern mit Giftinjektionen getötet werden. Das ändert aber nichts daran, dass die Hauptursache für die Korallenbleiche bestehen bleibt, nämlich der vom Menschen verursachte Klimawandel. Erhöhte Temperaturen in der Atmosphäre führen zu Hitzewellen unter Wasser. Diese wiederum können zur Ausbleichung der Korallen führen. Wenn das ab und zu passiert, können sich die Korallen erholen. Wenn es aber rasch hintereinander geschieht, wie dies in den letzten Jahren der Fall war, dann sterben sie ab.

Man macht ein bisschen etwas, damit man geschäftig aussieht, fasst aber das Hauptproblem nicht an.
Autor:

Da klingt der Geldsegen nach Pflästerchenpolitik. Was sagen Umweltschützerinnen und -schützer zum Plan der Regierung?

Leslie Ann Huges, eine Professorin beim australischen Klimarat, hat diese Massnahme tatsächlich mit einem Pflaster auf ein gebrochenes Bein verglichen. Man macht ein bisschen etwas, damit man geschäftig aussieht, fasst aber das Hauptproblem nicht an. Die Geldspritze hat auch einen politischen Hintergrund: Bald sind in Australien Wahlen. Die konservative Regierung will sich mit der Ankündigung die Wiederwahl im Bundesstaat Queensland sichern. Dort hängen etwa 60’000 Arbeitsplätze direkt vom Tourismus am Riff ab. Gleichzeitig stammt von dort aber auch ein grosser Teil der Kohle, die Australien gewinnbringend exportiert. Kohle ist der wichtigste einzelne fossile Brennstoff, der zur Klimaveränderung beiträgt.

Die Unesco hat gedroht, das Great Barrier Reef auf die Liste gefährdeter Weltnaturerbestätten zu setzen. Was würde ein solcher Schritt für Australien bedeuten?

Australien müsste sich zu Recht vorwerfen lassen, eines der grössten Naturwunder nicht genügend geschützt zu haben. Dieses Naturwunder gehört der gesamten Menschheit. Und der Schritt hätte schwerwiegende wirtschaftliche Folgen. Es besteht kein Zweifel, dass nach so einem Entscheid weniger Leute kommen würden, um das Riff zu sehen.

Die australische Regierung weigert sich bisher faktisch, ihren Teil am Klimaschutz zu leisten, ganz im Gegenteil.
Autor:

Was müsste geschehen, um das Riff effektiv vor dem Absterben zu schützen?

Die Wissenschaftler sind sich da einig wie selten: Der Temperaturanstieg müsste global auf höchstens zwei Grad, besser 1.5 Grad beschränkt werden, sonst ist der Grossteil des Riffs bis 2050 tot. Das lasse sich nur über den baldigen Verzicht auf klimaverändernde Brennstoffe wie eben Kohle erreichen. Doch bisher weigert sich die Regierung faktisch, ihren Teil am Klimaschutz zu leisten, ganz im Gegenteil. Premierminister Scott Morrison hat in den letzten Monaten mehrfach klargemacht, weiter Kohle abbauen zu wollen. Und gleichzeitig werden Milliarden in den Ausbau der nicht viel weniger klimaschädigenden Gasindustrie gepumpt. Dagegen sind die 660 Millionen Franken fürs Great Barrier Reef buchstäblich ein Tropfen auf den heissen Stein.

Das Gespräch führte Roger Aebli.

 

SRF 4 News, 28.01.2022; 07:45 Uhr ; 

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