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Griechenland: Neues Arbeitsgesetz spaltet
Aus SRF 4 News aktuell vom 17.06.2021. Bild: Keystone/Archiv
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Griechenland Ist das neue griechische Arbeitsgesetz eine Mogelpackung?

Das neue Gesetz soll die Arbeitnehmerschaft stärken. Die sehr liberale Ausgestaltung weckt aber Zweifel.

Das griechische Parlament hat am Mittwochabend die umstrittene Reform des Arbeitsgesetzes beschlossen. Es soll das Arbeitsrecht modernisieren und den Arbeitsmarkt flexibler machen.

Neu sind mehr Überstunden erlaubt – und die Arbeitnehmenden können flexiblere Arbeitszeiten mit ihrem Arbeitgeber vereinbaren. Eine elektronische, mit dem Finanzamt verbundene Arbeitskarte soll dafür sorgen, dass alle Überstunden erfasst werden. Das gab es bisher nicht. Es soll laut Regierung die Arbeitnehmenden stärken.

Flexible Arbeitszeiten – ohne Tarifvertrag

Die grossen Proteste in Athen richteten sich vor allem gegen Regelungen, welche die Position der Arbeitnehmenden schwächen und die Gewerkschaften marginalisieren sollen, wie Rodothea Seralidou, freie Journalistin in Athen, berichtet.

So müssen flexible Arbeitszeiten nicht mehr im Tarifvertrag festgelegt werden, sondern können einzeln mit dem Arbeitgeber verhandelt werden. Die Gewerkschaften befürchten, dass Arbeitnehmende kaum mehr flexible Arbeitszeiten ablehnen können, wenn die Unternehmen darauf bestehen. Sie sehen das Ganze also als Versuch, die Tarifverträge zu umgehen.

Entlassungen leichter möglich

Ein weiterer Streitpunkt sind die Entlassungen: Bisher mussten alle, die gegen eine unzulässige Entlassung klagten und vor Gericht siegten, wiedereingestellt werden. Neu können sich die Unternehmen mit einer grösseren Entschädigungszahlung von dieser Pflicht befreien.

Die Gewerkschaften machten geltend, Entlassungen aus irgendeinem Grund seien nun jederzeit möglich. Die Betroffenen bekämen zwar etwas mehr Geld, seien aber die Stelle los. Bei 16 Prozent Arbeitslosigkeit sei es schwierig, eine neue Arbeit zu finden.

Streikrecht eingeschränkt

Mit dem neuen Arbeitsrecht wird auch das Streikrecht eingeschränkt: Künftig muss im Streikfall ein Drittel der Arbeitsleistung eines Unternehmens sichergestellt werden.

Ein Streik kann zudem leichter als illegal eingestuft werden. So dürfen die Dachverbände der Gewerkschaften keinen Streik ausrufen, wenn dieser von den kleineren Betriebsgewerkschaften bereits aufgerufen und als illegal eingestuft wurde.

Die Reform des Arbeitsgesetzes in Griechenland war in den letzten Tagen von massiven Strassenprotesten begleitet. Während des 24-Stunden-Streiks stand am Mittwoch in Athen der öffentliche Verkehr so gut wie still.
Legende: Die Reform des Arbeitsgesetzes in Griechenland war in den letzten Tagen von Strassenprotesten und Streiks begleitet. Während des 24-Stunden-Streiks stand am Mittwoch in Athen der öffentliche Verkehr so gut wie still. Eine Anhängerin der kommunistischen PAME (Militante Arbeiterfront) schwenkt eine Flagge vor dem Parlament. Keystone

Die Gewerkschaften fordern von der liberal-konservativen Regierung die Rücknahme des Gesetzes, weil sie die Meinung sind, dass sich die Reform insgesamt gegen die Arbeitnehmenden und Gewerkschaften richtet und dass vor allem die Unternehmen profitieren würden.

Die Gewerkschaften fordern von der liberal-konservativen Regierung die Rücknahme des Gesetzes.
Autor: Rodothea Seralidou Freie Journalistin, Athen

Zückerchen: Vaterschaftsurlaub und Homeoffice

Bisher durften Väter in Griechenland lediglich zwei Tage Vaterschaftsurlaub nehmen. Neu sind es zwei Wochen. Zugleich werden Gewalt und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz stärker bekämpft.

Das begrüssen die Arbeitnehmerverbände, merken aber an, dass Griechenland diese europäischen Richtlinien ohnehin umsetzen musste. Was die neue Homeoffice-Regelung betrifft, so dürfen Arbeitnehmende auch «offline» gehen, damit sie abends oder am Wochenende in Ruhe gelassen werden.

Arbeitgeber wollten mehr

Laut den Arbeitgebern geht das Gesetz in die richtige Richtung, gerade was die vom Industrie schon lange geforderten Überstunden und flexiblen Arbeitszeiten betrifft. Allerdings geht es nicht allen weit genug. Denn der Wunsch nach flexiblen Arbeitszeiten muss per Gesetz von den Arbeitnehmenden ausgehen. Für die Gewerkschaften ist aber klar, dass sich in der Praxis niemand zu widersetzen wagen dürfte.

SRF 4 News, 17.06.2021, 09:15 Uhr;

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