Worum geht es? In Japan ist die derzeit weltgrösste Versuchungsanlage eines Kernfusionsreaktors offiziell in Betrieb genommen worden. Die Anlage JT-60SA in Naka nördlich von Tokio ist ein japanisch-europäisches Kooperationsprojekt. Bis der sich im Bau befindliche europäische Iter-Reaktor im südfranzösischen Cadarache in den Versuchsbetrieb geht, ist die japanische Anlage die grösste ihrer Art vom Typ Tokamak. Auch die Schweiz ist über das Iter-Projekt indirekt an JT-60SA beteiligt.
Was ist Kernfusion? Bei der Kernfusion werden Atomkerne bei extrem hohen Temperaturen miteinander verschmolzen. Dabei werden enorme Mengen Energie freigesetzt – aber vergleichsweise wenig radioaktive Strahlung. Entsprechend klein und relativ kurzlebig sollen dereinst die radioaktiven Abfälle eines Fusionsreaktors sein. Herkömmliche Atomkraftwerke gewinnen ihre Energie dagegen aus der Spaltung von Atomkernen. Dabei wird viel radioaktive Strahlung freigesetzt – und es fällt viel, sehr stark und ausgesprochen lange strahlender Atommüll an.
Die Schwierigkeiten beim Fusionsreaktor sind ziemlich gut erkannt – und ich bin zuversichtlich, dass wir es schaffen können.
Wie funktioniert der Tokamak-Reaktor? Die Anlage in Japan besteht – wie Iter in Südfrankreich – aus einem donutförmigen Behälter, dem Tokamak, in dem von immens starken Elektromagneten auf Bahn gehaltenes Plasma auf 100 Millionen Grad Celsius erhitzt wird. Damit sollen Wasserstoffkerne zum Verschmelzen und zur Freisetzung von Energie gebracht werden – wie in der Sonne. Um eine Kernfusion herbeizuführen, ist also zunächst ein erheblicher Energieaufwand nötig. In Japan soll nun der Plasmabetrieb detaillierter als bisher untersucht werden können.
Wieso überhaupt diese teure Fusionsforschung? «Die Fusion ist die ideale Energiequelle – sicher, sauber und praktisch unbegrenzt verfügbar», sagt Christian Theiler. Er ist Assistenzprofessor für Physik an der ETH Lausanne, wo ebenfalls an der Kernfusion geforscht wird. «Wir brauchen eine solche Energiequelle – in Verbindung mit anderen Energiequellen – in einem zukünftigen Energiemix.» Theiler rechnet damit, dass ab etwa 2050 Fusionskraftwerke in Betrieb gehen könnten: «Die Schwierigkeiten sind ziemlich gut erkannt – und ich bin zuversichtlich, dass wir es schaffen können.»
Ist das die Lösung des Energieproblems? Auf lange Sicht könnten Fusionskraftwerke also eine saubere Alternative zur Verbrennung fossiler Brennstoffe und der umstrittenen Atomenergie werden, sagen ihre Befürworter. Für Kritiker und Umweltschützer ist die Fusionstechnologie dagegen viel zu ineffizient, aufwändig und teuer. Vor allem aber ist die Kernfusion mindestens noch Jahrzehnte von der Marktreife entfernt – deshalb seien erneuerbare Energien wie Wind und Sonne bessere Alternativen für eine rasche Energiewende, so die Kritiker.