Seit neuneinhalb Jahren regiert die Konservative Partei das Land. Allein oder mit einer Koalitionspartnerin. In der Neuwahl vom letzten Donnerstag hat die Partei zum sechsten Mal in Folge ihren Wähleranteil ausgebaut. Marginale Stimmengewinne in ausgewählten Wahlkreisen brachten eine reiche Ernte und zertrümmerten die Labour-Partei in ihren Stammlanden.
Weitere zehn Jahre unter den Tories scheinen plausibel. «Die Reformen der Regierung folgen den Wünschen des Volkes», behauptete die Queen. Die Geschichte, schrieb Karl Marx unter Verweis auf Hegel, wiederhole sich: Das erste Mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce. Heute war es umgekehrt.
Unwürdiger Auftritt der Königin
Denn die Thronrede der Queen vor zwei Monaten, vorgetragen in vollem Ornat, war letztlich der Auftakt zum Wahlkampf; unverhohlen parteilich inszeniert und ohne jede Chance, je umgesetzt zu werden – unwürdig für die Monarchin.
Heute kam die Queen nicht in der Pferdekutsche, sondern im Bentley. Ihre Krone fuhr getrennt und ruhte auf einem Kissen; wie eine Zuschauerin. Die Queen selbst trug einen Hut. Doch der Inhalt des Gesetzgebungsprogramms war seriös. Johnsons üppige Mehrheit im Unterhaus verleiht ihm seltene Allmacht.
Johnson sprach nicht zum ersten Mal von einer Volksregierung – wie wenn es eine andere gäbe. In seiner Rolle als optimistischer Volkstribun versprach er dem Land ein Goldenes Zeitalter. Das sei weder unwahrscheinlich noch eitel.
Die konservative Fraktion frass ihm aus der Hand. Eine neue Symbiose zeichnet sich ab. Die 364 konservativen Abgeordneten wissen, dass sie ihre Sitze dem Haudegen Johnson verdanken. Und er weiss, dass eine kritische Minderheit von ihnen politisches Neuland für die Tories vertritt: die vernachlässigte nordenglische und nordwalisische Provinz.
Ein linker Putsch hat Labour in eine verherrlichte Protestbewegung verwandelt, mit kultartigen Schleifchen, gänzlich ausserstande, eine glaubwürdige Regierung zu stellen.
Diese Neuwähler will er bei der Stange halten. Härtere Repressalien gegen Kriminelle und Terroristen, mehr Geld für Gesundheit, Schulen und dergleichen. Johnson will vom politischen Zentrum aus regieren, eine etwas irreführende Triangulation, weil Labour so weit nach links gerutscht ist und die Tories ihre gemässigte Mitte vergrault haben.
Der frühere Labour-Premier Tony Blair, der vor der Niederlage gewarnt hatte, rieb am Mittwoch Salz in die Wunde: «Ein linker Putsch hat Labour in eine verherrlichte Protestbewegung verwandelt, mit kultartigen Schleifchen, gänzlich ausserstande, eine glaubwürdige Regierung zu stellen.»
Jeremy Corbyn, der diesen Linksrutsch verkörpert, gab eine Reprise des missglückten Wahlkampfes. Seine Partei stehe für die Werktätigen, für die Mehrheit, nicht die Minderheit. Nach diesem Wahlergebnis ist das allerdings widerlegt, und so erntete Corbyn grausames Gelächter und spöttische Rufe.
Am Freitag wird der Brexit vorangetrieben. Die Spekulationen, wonach Johnson seine Allmacht für einen sanfteren Kurs nutzen könnte, haben sich als Irrtum erwiesen: Er will eine Verlängerung der Übergangsfrist gesetzlich verbieten lassen, die parlamentarische Mitsprache beim neuen Handelsvertrag mit der EU wird beschnitten, subalterne britische Gerichte dürfen die europäische Rechtssprechung kippen.
Das klingt nach kompromisslosem Brexit, entfesselter Souveränität, notfalls ohne Vertrag per Ende 2020. «Get Brexit done» gewann die Wahl für Johnson, das war letztlich das zweite Referendum, derart klar war der konservative Wahlprospekt. Rien ne va plus.