Im Vereinigten Königreich begann der Tag mit schwerer Kost. Zum Frühstück flimmerte die Schatzkanzlerin über die Bildschirme. Aus dem Presseraum im Untergeschoss von Downing Street beschrieb Rachel Reeves der Nation live die unendlichen Tiefen des Schwarzen Lochs in der Staatskasse und gleichzeitig steigende Ausgaben.
Über 3000 Milliarden Franken betragen die Staatsschulden Grossbritanniens. Zehn Prozent der Steuereinnahmen werden allein benötigt, um die Schuldzinsen zu bezahlen. Um diesen Schuldenberg abzubauen, müssten alle beitragen. Steuererhöhungen scheinen unvermeidlich, auch wenn Reeves das nicht explizit sagte. Was sie hingegen sagte: Sie wolle alles tun für eine gute und prosperierende Zukunft. Und blickte dabei in die Welt, als hätte sie in eine Zitrone gebissen.
Offiziell wird das neue Budget in drei Wochen vorgelegt. Das heutige «Wort zum Tag» ist deshalb eher als Trigger-Warnung und mentale Vorsorgemassnahme zur politischen Schadensbegrenzung zu verstehen. Denn vor den Wahlen im vergangenen Sommer versprach die heutige Finanzministerin sehr, sehr viel, aber ganz bestimmt keine Steuererhöhungen.
Das Versprechen: falsch – oder blauäugig?
Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer und schon gar nicht der Einkommenssteuern für die arbeitende Bevölkerung. Doch je klarer wurde, dass sich dieses Wahlversprechen nicht halten lässt, desto mehr verlagerte sich die Diskussion darauf, wer genau zu dieser arbeitenden Bevölkerung gehört, die von den Begehrlichkeiten der Steuerbehörden verschont werden soll.
«Leute, die das Haus verlassen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen», erklärte der Premierminister. Eine vage Definition. Denn selbst Einbrecher verlassen ihre Wohnung, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Oppositionschefin Kemi Badenoch fragte Keir Starmer deshalb vor wenigen Monaten im Parlament, ob das Wahlversprechen immer noch gelte. Yes! Keine Steuererhöhungen. Und nun also die in Watte verpackte Kehrtwende.
Druck auf Labour-Regierung steigt weiter
Das politische Erbe der Konservativen sei noch schlechter als vermutet, erklärte heute Finanzministerin Reeves. Eine Erkenntnis, die Britinnen und Briten kaum überraschen dürfte. Vor allem nicht jene, die nach dem Frühstück über Schlaglöcher zur Arbeit fahren oder auf verspätete Züge warten.
Doch seit heute wissen sie: Für all das müssen sie künftig noch tiefer in die Tasche greifen. Reeves sagt, sie tue, was richtig sei – nicht, was populär ist. Klingt entschlossen. Aber es ist eine riskante Rezeptur für eine Regierung, die ein Jahr nach ihrem fulminanten Wahlsieg in erster Linie eines ist: unpopulär.