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Haftbedingungen in Russland «Wird man krank, hofft man im Straflager vergeblich auf Hilfe»

Russlands bekanntester Oppositionelle Alexej Nawalny ist in den Hungerstreik getreten, um auf die Haftbedingungen im russischen Straflager aufmerksam zu machen.

Prekär ist insbesondere die mangelnde medizinische Versorgung in russischer Haft, was dem Land immer wieder Schuldsprüche vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingebracht hat. Menschenrechtsaktivist Konstantin Kotow war selbst im Straflager und weiss genau, wie schlimm die Situation für die Insassen ist.

Konstantin Kotow

Russischer Menschenrechtsaktivist

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Der 36-jährige Konstantin Kotow kam im Dezember 2020 nach eineinhalb Jahren aus der Haft frei. Verurteilt worden war der ausgebildete Programmierer wegen Teilnahme an einer nicht bewilligten Demonstration im August 2019. Den grössten Teil seiner Zeit in Haft verbrachte der Menschenrechtsaktivist in derselben Strafkolonie, in der Russlands bekanntester Oppositioneller, Alexej Nawalny, zurzeit inhaftiert ist.

SRF News: Welche Erfahrung haben Sie mit der medizinischen Versorgung in der Strafkolonie Nr. 2 gemacht, in der Nawalny zurzeit inhaftiert ist?

Konstantin Kotow: Das medizinische Personal besteht ausschliesslich aus Niedrig-Qualifizierten. Zugriff hat das Personal nur auf die elementarsten Medikamente, die nicht rezeptpflichtig sind. Wird man ernsthaft krank, hofft man vergeblich auf Hilfe. Es ist etwas vom gefährlichsten, was dir in einer Strafanstalt drohen kann. Du kannst sterben, weil du nicht die nötige medizinische Hilfe erhältst.

Ich musste mehrere Monate warten, bis ein Arzt von ausserhalb der Strafkolonie zu mir gelassen wurde.

Haben Sie persönlich auch vergeblich auf Hilfe gewartet?

Ich habe mich in der Strafkolonie mit der Krätze angesteckt. Meine Behandlung dauert leider noch immer an. Ich musste mehrere Monate warten, bis ein Arzt von ausserhalb der Strafkolonie zu mir gelassen wurde. Erst durch diesen externen Arzt erhielt ich eine angemessene Behandlung. Es kam sogar so weit, dass einige Familienmitglieder sich bei mir nach meiner Freilassung angesteckt haben, da ich die Krankheit nicht auskurieren konnte in der Strafkolonie.

Sind alle Insassen von diesen Haftbedingungen betroffen oder betreffen diese ausschliesslich politische Gefangene?

Als politischer Gefangener hat man es in gewisser Hinsicht einfacher, Hilfe zu bekommen. Politische Häftlinge bekommen Aufmerksamkeit von der Öffentlichkeit und ihren Anwälten. Ein Insasse, den niemanden kennt, dessen Forderungen bleiben ungehört.

Haben Sie sich im Gefängnis durch ihren Anwalt geschützt gefühlt?

Wenn die Anwälte nach ihren Besuchen gingen, blieb ich mit den Mitarbeitern der Kolonie zurück. Dies war sehr unangenehm. Mehrmals haben mir Mitarbeiter offen damit gedroht, meine Haftbedingungen zu verschlechtern, sollte ich weiterhin meinen Anwälten erzählen, was mir widerfährt. Obwohl es mir sehr schwerfiel, habe ich trotzdem weiter versucht, die Wahrheit über die Haftbedingungen zu schildern. Offenheit scheint mir der beste Weg, sich in solchen Situationen zu schützen.

Ich habe immer wieder gehört und sogar gesehen, wie andere Häftlinge auf die Fersen geschlagen oder gewürgt wurden.

Wurden die Gefängnisinsassen von den Mitarbeitern der Strafkolonie geschlagen?

Ja, physische Gewalt wurde in der Strafkolonie gegenüber Insassen angewandt. Nicht gegenüber mir persönlich. Die Mitarbeiter schienen zu begreifen, dass ich kein Unbekannter war. Mir gegenüber Gewalt anzuwenden, hätte offensichtlich dazu führen können, dass sie dafür Verantwortung hätten übernehmen müssen. Doch gegenüber anderen Insassen haben sie sich nicht zurückgehalten. Ich habe immer wieder gehört und sogar gesehen, wie andere Häftlinge auf die Fersen geschlagen oder gewürgt wurden.

Das Gespräch führte Luzia Tschirky.

Tagesschau, 31.03.2021, 19:30 Uhr ; 

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