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Handschlag-Debatte in Dänemark «Ein Machtkampf um Identität»

In Dänemark ist in der Corona-Zeit eine Kontroverse um den Handschlag bei Einbürgerungen entstanden. Der Handschlag gilt eigentlich als Vervollständigung einer Einbürgerung. Bruno Kaufmann über ein Detail, das die Gemüter erregt.

Bruno Kaufmann

Nordeuropa-Korrespondent

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Bruno Kaufmann berichtet seit 1990 regelmässig für SRF über den Norden Europas, von Grönland bis Litauen. Zudem wirkt er als globaler Demokratie-Korrespondent beim internationalen Dienst der SRG mit.

SRF News: Was ist genau das Problem?

Bruno Kaufmann: Es gibt einen Streit um das Einbürgerungsverfahren, bei dem normalerweise der Handschlag per Gesetz den letzten Schritt darstellt. Doch im Moment erlaubt das Gesundheitsministerium den Handschlag nicht. Die einen haben vorgeschlagen, dass man einfach viel Desinfektionsmittel verwenden könnte. Die andern wollen auf den Handschlag verzichten.

Warum wollte die sozialdemokratische Regierung an der Handschlagspflicht festhalten?

Das hat mit der Vorgeschichte dieses Gesetzes zu tun und auch mit der Diskussion in Dänemark überhaupt in den letzten 15 Jahren. Seit dem Streit um die sogenannten Mohammed-Karikaturen hat eine rechtsnationale-bürgerliche Seite sehr viel Stimmen gewonnen, indem sie auf solche Symbolhandlungen hinwies und die Grenzen schliessen wollte. Sie bezeichnete den Handschlag als wichtiges Kulturgut.

Und die Sozialdemokraten haben erst wieder Wahlen gewonnen, nachdem sie diesbezüglich eben auch diese Symbolhandlungen befürwortet haben. Deshalb wollte die sozialdemokratische Minderheitenregierung zunächst diesen Handschlag nicht abschaffen, weil man Angst hatte, dass von rechts ein Aufschrei kommt.

Gehört denn der Handschlag zur kulturellen Identität Dänemarks?

Darüber wird gestritten. Einerseits gibt man sich normalerweise die Hand bei der Begrüssung, auf der anderen Seite sind die Däninnen und Dänen manchmal auch ein bisschen ein distanziertes Volk.

Die Frage des Handschlags ist zu einer Art Zugeständnis an eine eher nationalistische Politik geworden.

Man muss die Leute immer wieder darauf aufmerksam machen, dass man sich grüssen sollte. Es gibt sogenannte Hallo-Zonen in Kopenhagen, wo man darauf hingewiesen wird. Auf der anderen Seite sehe ich es als einen Machtkampf um Identität an. Die Frage des Handschlags ist zu einer Art Zugeständnis an eine eher nationalistische Politik geworden.

Diese Verpflichtung zum Händeschütteln ist vielfach auf Widerstand gestossen, auch zum Beispiel bei Gemeindepräsidenten. Was stört sie genau?

Es hat Unbehagen ausgelöst. Gewisse Gemeindepräsidenten vor allem im Süden Jütlands, nahe an der Grenze zu Deutschland, erinnerten sich noch an Geschichten aus der Besetzung durch die Nazis. Damals musste der Hitlergruss gegenüber den Behörden gemacht werden. Man hat hier schlechte Erfahrungen im Gepäck. Man hat dann entschieden, dass es nicht unbedingt der Bürgermeister sein muss, der den Handschlag ausführt, sondern dass es auch eine Beamtin oder ein Beamter sein kann.

Auf der Insel Samsö ergab sich die absurde Situation, dass der Bürgermeister, der noch nicht Däne war, sich selbst hätte die Hand schütteln müssen. Doch da kam Corona dazwischen, und dieser Handschlag wurde nicht durchgeführt.

Das Gespräch führte Barbara Büttner.

SRF 4 News, 21.04.2020, 08:50 Uhr ; 

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