1964 geboren, wuchs Boris Johnson mit allen Annehmlichkeiten eines Mitglieds der «upper class» auf, besuchte Eliteschulen und die Oxford University. Nach dem Abschluss entschied er sich für eine Laufbahn als Journalist – was ihn auch als Korrespondenten nach Brüssel brachte. 2001 wurde er Abgeordneter im House of Commmons, wo er während seiner siebenjährigen Amtszeit nur wenig Aufmerksamkeit auf sich zog.
Der Aufstieg des Boris Johnson
Den Polyglott Johnson zog es ohnehin hin zu anderen Aufgaben. 2008 wurde er ins Amt des Bürgermeisters von London gewählt: Eine Sensation, in der ansonsten von der Labour-Partei dominierten Hauptstadt.
Johnson lag es von Anfang an daran, die Sympathien auf seiner Seite zu haben. Und so war der für seinen wilden Blondschopf bekannten Ausnahmepolitiker sich für keine publikumswirksame Aktion zu schade. Regelmässig sah man Johnson in dieser Zeit bei sportlichen Aktivitäten – Talent hin oder her. In einem unvergesslichen Auftritt schwebte er an einem Seil befestigt und mit Union Jack Flaggen ausgestattet über den Austragungsort der Olympischen Spiele 2012, um für diese zu werben.
Der Brexit als Grundstein für Premier Johnson
In den Jahren vor der Brexit-Abstimmung galt Johnson nicht als treibende Kraft hinter der Anti-EU-Bewegung im Land. Zwar war er aus früheren Jahren als kritischer Berichterstatter aus Brüssel bekannt, doch die Saat für die spätere Abspaltung von Brüssel hatten andere angelegt.
Im Februar 2016 sprach sich Johnson jedoch zur Überraschung vieler und nach mehrmaligen Dementi überraschend für ein Ja zum Austritt aus und betrieb anschliessend an vorderster Front Abstimmungskampf für die «Leave-Kampagne».
Wie zuvor schreckte er dabei vor Übertreibungen und kleineren oder mittleren Unwahrheiten nicht zurück. Es war auch die Unterstützung des politischen Schwergewichts Johnson, die den Ausschlag für den äusserst knappen Entscheid am 23. Juni 2016 gab.
Weggefährte David Cameron trat daraufhin zurück. Bereits damals galt Johnson als einer der Mitfavoriten auf dessen Nachfolge. Doch die Kritik am Wirbelwind Johnson war (noch) zu gross.
Vom Höhepunkt zum Tiefpunkt in wenigen Jahren
Stattdessen wurde er Aussenminister. Seine zweijährige Amtszeit diente vor allem als Vorlauf auf das, was noch kommen sollte. Mit seiner Chefin, Theresa May, war Johnson nämlich nicht immer auf einer Wellenlänge. Ein Disput, der sich in aller Öffentlichkeit abspielte.
Die Streitigkeiten rund um das Abkommen zum EU-Austritt kosten der Premierministerin im Sommer 2019 ihr Amt. Hinter den Kulissen dürfte auch Johnson an ihrem Ende mitgearbeitet haben. An Mays Stelle wurde er zum Premierminister gewählt. Wenige Woche nach seinem Amtsantritt kündigte dieser wegen der Brexit-Querelen bereits wieder Neuwahlen an, welche er Mitte Dezember mit einer überwältigenden Mehrheit von 80 Sitzen gewann. Es war der grösste Wahlsieg für die Konservativen seit Margaret Thatcher.
Corona: Vom Beinahetod zu «Partygate»
Nach seinem Erdrutschsieg wähnte sich Johnson in einer komfortablen Lage. Doch nur wenige Wochen später sollte sich die Welt grundlegend ändern. Das Coronavirus wurde zur grossen Probe. Grossbritannien erwischte es früh und stark.
Der Premier bewies in der Pandemiebekämpfung nicht immer Taktgefühl. «Ich war kürzlich im Spital. Da waren wohl auch ein paar Corona-Kranke. Ich habe jedem die Hand geschüttelt. Das werde ich weiterhin tun», erklärte er etwa, die Gefahr des Virus herunterspielend. Kurz darauf sollte es ihn selbst erwischen. Eine ganze Woche lang lag der Premier im Spital, zwischenzeitlich soll er gar in Lebensgefahr geschwebt haben.
Während der schlimmsten Wochen der Pandemie, im Herbst 2021, hatten in England strenge Beschränkungen gegolten. Wie sich anderthalb Jahre später herausstellen sollte, hielt man sich ausgerechnet an der Downing Street jedoch nicht dran. Videoaufnahmen von mehreren Partys zeigten feiernde Mitarbeiter aus dem Stab Johnsons, während das Land zu Hause festsass.
Zwar wurde der Premier dafür von der Polizei verbüsst – das erste Mal überhaupt, dass ein britischer Premier straffällig wurde – doch politisch konnte ihm der neuerliche Skandal wieder nichts anhaben. Der Premier schien, wie von vielen bewundernd beschrieben, sieben Leben zu haben. Spätestens seit heute weiss man: Boris Johnson ist auch nur Mensch und keine Katze.