Polizisten sollen den Drogenhandel einer Kleinstadt kontrollieren. Unglaublich, aber genau das soll in Piacenza, in der norditalienischen Region Emilia Romagna geschehen sein. Die Ermittlungsbehörden werfen den Carabinieri aus Piacenza vor, mit Drogen gedealt, erpresst und gar gefoltert zu haben.
Die Vorwürfe an die Carabinieri wiegen schwer. Und vor allem scheinen sie gut begründet zu sein. Denn die Justiz hat die Handys der Carabinieri während Monaten abgehört und viel belastendes Material gesammelt.
Unzweideutige Bilder
Auch die Fotos auf den Handys der Polizisten lassen wenig Zweifel offen: Da sitzt ein Häftling auf dem Boden, neben ihm eine Blutspur. Oder auf einem Audio hört man, wie Carabinieri einen Häftling schlagen und die Schreie des Opfers hämisch kommentieren.
Aus den vorliegenden Informationen ergibt sich folgendes Bild: Beinahe der ganze Carabinieri-Posten mitten in der Altstadt von Piacenza war in die Machenschaften verwickelt. Seit drei Jahren schon dealten die Ordnungshüter mit Drogen und protzen mit dem so erworbenen Reichtum, zum Beispiel mit Champagner und teuren Autos.
Wenn sie folterten, dann ging es darum, Drogenverstecke ausfindig zu machen. Die Polizisten plünderten so die Depots anderer Dealer, um den Stoff selber verkaufen und kassieren zu können. Während der Coronakrise sollen Carabinieri gar ins nahe Mailand gefahren sein, um den Nachschub an Drogen sicherzustellen. Als Carabinieri konnten sie die Ausgangssperre, den Lockdown, locker umgehen.
Dunkle Erinnerungen werden wach
Diese Enthüllungen sind für ganz Italien ein Schock. Und man fragt sich: Haben die Vorgesetzten tatsächlich nichts von diesen Machenschaften gewusst? Haben Vorgesetzte nur ihre Kontrollpflicht verletzt? Oder waren sie gar mit von der Partie? Ätzende Fragen, bei denen sofort böse Erinnerungen wach werden. 2001 in Genua, beim G8-Gipfel, haben italienische Polizisten Demonstranten spitalreif geschlagen, einer starb.
Oder 2009 in Rom, dort wurde Stefano Cucchi von Carabinieri zu Tode geprügelt. Die Carabinieri warfen Cucchi vor, mit Drogen gehandelt zu haben und versuchten mit Fäusten und Fusstritten, den Verdächtigen zum Sprechen zu bringen.
Damals waren auch Vorgesetzte involviert. Sie halfen mit, diese Tat zu vertuschen, indem sie mit frisierten Protokollen und Falschaussagen die Untersuchungsbehörden täuschten. Erst zehn Jahre später, im letzten Herbst, wurden die hauptverantwortlichen Carabinieri erstinstanzlich schuldig gesprochen.
Viele Italienerinnen und Italiener haben wenig Vertrauen in ihren Staat. Das liegt auch daran, dass das Ansehen der Polizei aufgrund solcher Fälle schwer gelitten hat.