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Historischer Besuch Diplomatischer Frühling zwischen Südkorea und Japan

Historischer Besuch: Der neue südkoreanische Präsident Lee Jae-Myung hat am Wochenende seinen ersten offiziellen Staatsbesuch in Japan vollzogen. Dieser Besuch markiert einen Wendepunkt in den lange belasteten Beziehungen zwischen den beiden ostasiatischen Nachbarn. «Man kann das Wort historisch hier durchaus anwenden», erklärt Martin Fritz, freier Journalist in Tokio. Denn erst seit 60 Jahren bestehen zwischen den Ländern wieder diplomatische Beziehungen. Zum ersten Mal seit 17 Jahren verabschiedeten beide Länder ausserdem nach einem Treffen auf Staatsebene wieder eine gemeinsame Erklärung. Und: Der südkoreanische Präsident bricht mit der Tradition, indem er Japan vor den USA besucht.

Neue pragmatische Aussenpolitik Südkoreas: Traditionell reisen neue südkoreanische Präsidenten eigentlich zuerst in die USA. Lee tut dies jetzt aber erst nach seinem Besuch in Tokio. «Bisher hatte ein liberaler Präsident in Südkorea ausserdem oft mit der japanfreundlichen Aussenpolitik seines konservativen Vorgängers gebrochen und hat dann dessen Vereinbarung mit Japan einfach wieder gekippt», sagt Fritz. Aber Lee verfolge ausdrücklich eine pragmatische Aussenpolitik, wie er sagt. Und er hat mit dieser Tradition gebrochen. «Gerade bei jungen Leuten ist Japan beliebt, während man China als Bedrohung wahrnimmt», erklärt Fritz.

Zwei Männer im Anzug schütteln Hände.
Legende: Ehre für Japan: Der neue südkoreanische Präsident besucht Japan noch vor den USA. REUTERS/Kim Kyung-Hoon/Pool

Geopolitische Faktoren: Die Annäherung wird auch durch externe Faktoren begünstigt. «Beide Länder teilen gemeinsame Sorgen bezüglich Nordkoreas Atomwaffen und Chinas Machtstreben. Zudem sind sie von der militärischen Unterstützung der USA abhängig», sagt der freie Journalist. Durch ihre Zusammenarbeit hoffen die beiden Länder, einen besseren Einfluss auf die US-Politik ausüben zu können.

Solide Basis für verbesserte Beziehungen: «Dieser diplomatische Frühling zwischen Südkorea und Japan dürfte anhalten», sagt Fritz. Er meint, die pragmatische Aussenpolitik Lees und der Stimmungswandel in der Bevölkerung bildeten eine solide Basis für verbesserte Beziehungen. Der Besuch von Präsident Lee in Japan markiert somit möglicherweise den Beginn einer neuen Ära in den koreanisch-japanischen Beziehungen, geprägt von Pragmatismus und gemeinsamen Interessen trotz einer schwierigen Vergangenheit.

Belastete Vergangenheit: Die Geschichte zwischen Japan und Korea ist komplex. Vor 120 Jahren wurde Korea japanisches Protektorat und später eine Kolonie, die Japan erst nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg wieder aufgab. Diese Zeit hinterliess tiefe Spuren in Südkorea. So wurden etwa Südkoreaner zur Zwangsarbeit für japanische Unternehmen in Korea verdonnert. Und es gab sogenannte Trostfrauen, also Frauen, die zur Prostitution in Bordellen für japanische Soldaten gezwungen wurden. «Japan tut sich bis heute schwer damit, seine Verantwortung für das Geschehene zu übernehmen», so Fritz. Eine umfassende Aufarbeitung fand bisher nicht statt.

Wirtschaftliche Entwicklung: Trotz der belasteten Vergangenheit orientierte sich Südkorea nach dem Koreakrieg an Japan. Das Land übernahm das japanische Entwicklungsmodell und baute seine Halbleiterindustrie – ein spezialisierter Bereich der Elektroindustrie – mit japanischem Know-how auf. Heute hat Südkorea Japan in der Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung überholt. «Darauf ist man natürlich sehr stolz», betont Fritz.

Echo der Zeit, 24.8.2025, 18 Uhr ; 

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