Es hätte der «Gotthard-Basistunnel» Italiens sein können, ein Grossprojekt der Ingenieursleistung: 78 Deichelemente, jeweils über 300 Tonnen schwer, verankert auf 40 mal 60 Meter grossen Betonfundamenten. Die wiederum sind in 12 Meter Tiefe durch ein Schleusensystem miteinander verbunden und können an den drei natürlichen Engpässen die 550 Quadratkilometer grosse Lagune Venedigs bei Hochwasser von der Adria abschliessen.
«Die Herausforderung dieser Montage war die Installierung unter Wasser, ferngesteuert per Kamera: eine Millimeter-Arbeit, um die enormen Schwimmklappen in den Fundamenten auf dem Meeresgrund zu verankern», sagt Monica Ambrosini, Mediensprecherin des Projekt «Mose». Der Name suggeriert zwar «biblische» Ausmasse, ist aber eine rein technische Abkürzung für «Modulo Sperimentale Elettromeccanico».
Die Herausforderung dieser Montage war die Installierung unter Wasser, ferngesteuert per Kamera.
Astronomische Kosten und ewige Bauzeit
Leider aber hat es Italien wieder einmal verpasst, die elektromechanische Eigenleistung als Erfolg zu verkaufen – wie zu oft bei Infrastrukturprojekten, die im Streit und vor dem Richter enden. Dazu gehört die viel zu lange Planungs- und Bauzeit von 25 Jahren, astronomische Kosten von sechs Milliarden Euro und eine Serie von Veruntreuung, Schmiergeldern und Baupannen.
Dazu kommt die Arroganz der politischen Auftraggeber und Macher, welche einen echten Dialog mit Kritikern immer vermieden haben. Auch deshalb ist die Akzeptanz rund um die Lagune von Venedig für das Schutzprojekt in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gesunken. Italien hat hier ein Defizit in Sachen demokratischer Mitbestimmung und Einbindung der Bevölkerung in wichtige Entscheidungsprozesse.
Kritik an Intransparenz
«Sechs Milliarden Euro für ein Projekt, das international von vielen Fachleuten kritisiert wird und von dem es heisst, es werde Venedig nie wirksam schützen: Das ist eine enorme und einzigartige Verschwendung öffentlicher Steuergelder», sagt Andrea Barina. Er ärgert sich, während er seine Gäste in seiner Trattoria auf der Insel Giudecca bedient.
Die Milliarden hätte man vielleicht viel wirksamer für den Hochwasserschutz ausgegeben können.
Der Gründer des Vereins « Un’altra città possibile » [Eine andere mögliche Stadt] kritisiert seit Jahren das Projekt «Mose». Vor allem die Intransparenz, mit der seit Jahren an den «Bocche» [Mündern], den natürlichen Fahrrinnen bei Punta Sabbioni, Malamocco und Chioggia gearbeitet wird.
«Weder wird uns gesagt, was ‹Mose› am Ende genau kostet, noch wie viel jährlich für die Wartung ausgegeben werden muss. Das Projekt ist völlig intransparent – von Anfang an. Die Milliarden hätte man vielleicht viel wirksamer für den Hochwasserschutz ausgeben können.»
Keine Zeit für Alternativen
Denn nur eines ist klar: Die Intensität und Frequenz der Sturmfluten hat sich in den letzten Jahren klar erhöht und Experten sagen voraus, dass die Tendenz noch steigen wird.
Gegner und Befürworter eint deshalb die Hoffnung, dass «Mose» ab Herbst unter Realbedingungen funktioniert und die Lagunenstadt vielleicht doch vor weiterer Zerstörung schützt. Denn Zeit und Geld für Alternativen zum Schutz gegen das Hochwasser gibt es keine mehr.