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Höchste Corona-Todesrate «San Marino ging zu fahrlässig mit Corona um»

Der Kleinstaat San Marino mit seinen 33'000 Einwohnerinnen und Einwohnern hat die höchste Corona-Sterberate der Welt: Umgerechnet auf 100'000 Personen sterben dort derzeit 230 Menschen an Covid-19. Wieso der Kleinstaat mitten in Italien derart hart getroffen wird, weiss SRF-Italienkorrespondent Franco Battel.

Franco Battel

Italienkorrespondent

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Franco Battel ist seit 2024 wieder Italienkorrespondent bei Radio SRF. Zuvor war er Auslandredaktor. Bereits von 2015 bis 2021 berichtete Battel als Korrespondent für Italien und den Vatikan aus Rom. Zuvor war er als Auslandredaktor für Mexiko, Zentralamerika, Kuba und Liechtenstein verantwortlich.

SRF News: Was sind die Gründe für die hohen Corona-Fall- und Todeszahlen in San Marino?

Franco Battel: Das hat wie immer verschiedene Ursachen: Zunächst liegt San Marino in einer Gegend, in der das Coronavirus schon früh zu wüten begann. Während Italien schnell und drastisch reagierte, waren die Anti-Covid-Massnahmen in San Marino weniger streng – Läden und Restaurants blieben noch längere Zeit geöffnet.

Viele Italiener fuhren während des Lockdows nach San Marino um zu shoppen.

Zum Teil wurde das Virus auch verbreitet, weil Italiener während des Lockdowns nach San Marino fuhren, um auswärts zu essen, zu shoppen und sich zu vergnügen. Der Umgang mit dem Coronavirus war allseits zu sorglos – oder sogar fahrlässig. Und zuletzt haben die neuen Virusvarianten dazu geführt, dass die Infektionszahlen in San Marino erneut stark angestiegen sind.

San Marino liegt zwischen den italienischen Regionen Emilia Romagna und den Marken – auch dort steigen die Neuinfektionen wieder an. Was bedeutet das für San Marino?

Tatsächlich werden die beiden italienischen Regionen von der neuen Welle heftig getroffen – und San Marino ist mit ihnen eng verbunden. Viele Leute pendeln täglich hin und her. So verbreitet sich das Virus noch schneller.

Einsamer Platz in Venedig, nur zwei Soldaten zu sehen.
Legende: Die Infektionszahlen steigen wieder – fast ganz Italien ist wieder im Lockdown. Reuters

Der Staat geht beim Impfstoff eigene Wege und hat das russische Mittel Sputnik V eingekauft. Wie waren die Reaktionen darauf?

Zuerst: San Marino ist heilfroh, jetzt auch einen Impfstoff zu haben. Und wohl auch viele Italienerinnen und Italiener hätten lieber den russischen Impfstoff als jenen von Astra-Zeneca – zumal in San Marino anteilsmässig inzwischen mehr Menschen geimpft sind, als in den umliegenden italienischen Regionen. Trotzdem wurde über den russischen Impfstoff durchaus kontrovers diskutiert.

Für die russische Impfdiplomatie ist das nur ein kleiner Triumph.

«Gelobt sei Sputnik», liessen sich die Behörden von San Marino vernehmen. Ist das auch ein Wink an die EU – im Sinne von «wenigstens helfen uns die Russen»?

Natürlich hat das Ganze eine eminent politische Komponente. Moskau kann so zeigen, dass selbst Länder in Europa nur dank Russland aus der Krise kommen. Doch man darf nicht vergessen, dass der Staat sehr klein ist, die 33'000 Einwohnerinnen und Einwohner sind rasch geimpft. Entsprechend ist es nur ein kleiner Triumph für die russische Impfdiplomatie.

Rechnet man in der Region jetzt mit einem Impftourismus nach San Marino?

Viele Italiener würden sicher gern fürs Impfen nach San Marino fahren. Doch die dortigen Behörden haben stets betont, dass das nicht gehe. Auch hat der Kleinstaat dafür weder genügend Impfampullen, noch die dazu nötige Infrastruktur oder ein Interesse an einer solchen Aktion. Entsprechend werden die Menschen in den benachbarten italienischen Regionen noch länger warten müssen, bis sie geimpft sind.

Das Gespräch führte Roger Aebli.

So verbreitet sich Corona aktuell in Europa

SRF 4 News aktuell vom 17.3.2021, 10.45 Uhr ; 

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