Gerichtsentscheid zugunsten der indigenen Bevölkerung: Das oberste Gericht Brasiliens hat nach monatelangen Beratungen ein umstrittenes Gesetz für ungültig erklärt. Das Gericht in der Hauptstadt Brasilia erklärte die Regelung, die das Ausweisen von Schutzgebieten für Indigene begrenzen sollte, am Donnerstag für verfassungswidrig.
Lateinamerika-Experte Wolfgang Grabendorff erwartet, dass die Indigenen damit künftig mehr ihres ursprünglichen Landes zurückfordern können: «Es gibt schon 573 ausgewiesene Reservate für Indigene, aber nach diesem Gerichtsentscheid können die Indigenen auch weitere Gebiete beanspruchen, von denen sie nachweisen können, dass sie früher als Nomaden dort gelebt haben», sagt er. Wolfgang Grabendorff war Gastprofessor für internationale Beziehungen in Ecuador, Landesvertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kolumbien und Ecuador und Programmdirektor in Chile.
So argumentiert das Gericht: Die Verfassung von 1988 stehe in keinem Zusammenhang damit, wer wo gelebt habe. Die Verfassung von 1988 habe zwar das erste Mal festgehalten, dass die Indigenen Recht auf ihre traditionellen Lebensgebiete hätten. «Doch dass man nun sagt, zu diesem bestimmten Zeitpunkt – 1988 – seien diese Menschen physisch nicht in diesem Bereich anwesend gewesen, ist vor allem bei Nomaden problematisch», so der Experte. «Aber dieses rechtliche Argument jetzt vom Tisch.»
Gesetz gegen den Raubbau von Rohstoffen: In den letzten Jahren hat die Regierung Bolsonaro viele illegale Brandrodungen toleriert. Im Norden Brasiliens wurde die indigene Bevölkerung zudem durch illegalen Abbau von Gold zurückgedrängt. Nun gibt es ein Gesetz dagegen. Doch das entsprechende Ausführungsgesetz müsse erst noch ausgearbeitet werden. Und die Agrarlobby werde das Gesetz sicher noch zu beeinflussen versuchen. «Bis nachweisbar wird, dass an gewissen Orten kein Gold mehr abgebaut werden darf, wird es noch Jahre dauern», sagt Grabendorff.
Landwirtschaft als wichtiger Wirtschaftszweig: In Brasilien ist die Landwirtschaft der wichtigste Wirtschaftsektor, sowohl bei den Exporten als auch auf dem Arbeitsmarkt. Grabendorff sagt dazu: «Für den amtierenden Präsidenten Lula da Silva wird es insofern nicht einfach, sowohl den Ansprüchen der Indigenen als auch den jenen der Aggrarlobby gerecht zu werden.»