Der russische Krieg gegen die Ukraine ist das grosse Thema während der UNO-Gipfelwoche. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch recherchiert und dokumentiert die Kriegsverbrechen seit Monaten.
Wladimir Putin will, dass die ukrainische Zivilbevölkerung möglichst stark leidet unter einem totalen Krieg.
Ihr abtretender Chef Kenneth Roth: «Putin zerreisst bei seinem Krieg die Genfer Konventionen über das humanitäre Kriegsvölkerrecht in der Luft. Getötete oder verwundete Zivilpersonen sind hier nicht Kollateralschäden. Sie werden gezielt attackiert: Städte, Spitäler, andere zivile Einrichtungen werden bombardiert. Wladimir Putin will, dass die ukrainische Zivilbevölkerung möglichst stark unter einem totalen Krieg leidet.»
Russland und China im Fokus
Früher standen für Menschenrechtsorganisationen Länder wie Nordkorea, Syrien, Saudi-Arabien, Myanmar oder Eritrea im Vordergrund. «Es ist bitter, dass jetzt gleich zwei UNO-Vetomächte die grösste Bedrohung darstellen.»
Russland ist für einen lebenslangen Fürsprecher der Menschenrechte wie den 66-jährigen Kenneth Roth zwar ein akutes Problem. Langfristig gilt aber seine Hauptsorge China: «Russland ist kein Vorbild: Niemand wacht morgens auf und sagt, ich würde gerne in Putins autokratischer Kleptokratie leben.»
Anders China. Viele Regierungen eifern dem autoritären und wirtschaftlich erfolgreichen Modell nach. Peking hat enormen Einfluss in der UNO.
Der Kampf für die Menschenrechte endet nie. Es liegt in der Natur von Regierungen, Menschenrechte zu verletzen, alle neigen dazu.
Es sieht weltweit im Moment nicht gut aus für die Menschenrechte, Rückschläge sind weitaus häufiger als Fortschritte. Tritt Kenneth Roth also frustriert zurück? Nein, findet er, er habe viel erreicht: «Doch hätte ich gewartet, bis alles in Ordnung ist, könnte ich Human Rights Watch nie verlassen. Denn der Kampf für die Menschenrechte endet nie. Es liegt in der Natur von Regierungen, Menschenrechte zu verletzen, alle neigen dazu.»
Und ohne einflussreiche Organisationen wie Human Rights Watch wäre die Lage noch viel schlimmer, gebärdeten sich Machthaber noch weitaus repressiver.
Sorgen, persönlich wie beruflich, bereitet Kenneth Roth die Entwicklung in seiner amerikanischen Heimat selber: «Die Bewegung gegen die US-Demokratie, angeführt von Ex-Präsident Donald Trump, ist sehr, sehr ernstzunehmen. Wir müssen wachsam bleiben.» Derzeit hielten die demokratischen Institutionen stand. Noch.
Will man wissen, wie wichtig Menschenrechte sind, darf man nicht Regierungen fragen, sondern die Leute.
Gar nichts hält Kenneth Roth davon, wenn Länder wie China versuchten, die Menschenrechte umzudefinieren, weg von Freiheitsrechten. Und dabei argumentierten, die Rechte Einzelner gegenüber Staaten seien ein rein westliches Konzept: «Wer derlei behauptet, soll mit der eigenen Bevölkerung sprechen. Diese will Menschenrechte, Freiheitsrechte. In jedem einzelnen Land der Welt. Will man wissen, wie wichtig Menschenrechte sind, darf man nicht Regierungen fragen, sondern die Leute. Noch nie bin ich jemandem begegnet, der oder die hingerichtet werden wollte, gefoltert, willkürlich verhaftet oder diskriminiert.»
Für Regierungen sind die Menschenrechte mühsam; sie schränken den Handlungsspielraum ein. Doch Menschen wollen Menschenrechte. Deshalb engagiert sich Kenneth Roth weiter dafür. Künftig einfach ohne seinen Chefposten.