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Human Rights Watch Kenneth Roth kämpft auch ohne Chefposten für Menschenrechte

Fast drei Jahrzehnte lang führte Kenneth Roth Human Rights Watch. Das ist nicht bloss eine Amtszeit. Es ist eine Ära. Aus einem kleinen Team schuf er eine der wichtigsten globalen Menschenrechtsorganisationen. Für Roth ist der Kampf für die Menschenrechte nie endgültig gewonnen.

Der russische Krieg gegen die Ukraine ist das grosse Thema während der UNO-Gipfelwoche. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch recherchiert und dokumentiert die Kriegsverbrechen seit Monaten.

Wladimir Putin will, dass die ukrainische Zivilbevölkerung möglichst stark leidet unter einem totalen Krieg.
Autor: Kenneth Roth Human Rights Watch

Ihr abtretender Chef Kenneth Roth: «Putin zerreisst bei seinem Krieg die Genfer Konventionen über das humanitäre Kriegsvölkerrecht in der Luft. Getötete oder verwundete Zivilpersonen sind hier nicht Kollateralschäden. Sie werden gezielt attackiert: Städte, Spitäler, andere zivile Einrichtungen werden bombardiert. Wladimir Putin will, dass die ukrainische Zivilbevölkerung möglichst stark unter einem totalen Krieg leidet.» 

Russland und China im Fokus

Früher standen für Menschenrechtsorganisationen Länder wie Nordkorea, Syrien, Saudi-Arabien, Myanmar oder Eritrea im Vordergrund. «Es ist bitter, dass jetzt gleich zwei UNO-Vetomächte die grösste Bedrohung darstellen.» 

Russland ist für einen lebenslangen Fürsprecher der Menschenrechte wie den 66-jährigen Kenneth Roth zwar ein akutes Problem. Langfristig gilt aber seine Hauptsorge China: «Russland ist kein Vorbild: Niemand wacht morgens auf und sagt, ich würde gerne in Putins autokratischer Kleptokratie leben.»

Kenneth Roth über China und die Uiguren

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«Umso wichtiger ist, dass das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte nach langem Zaudern endlich seinen fundierten Bericht über die Verbrechen gegen die muslimische Minderheit der Uiguren veröffentlicht hat. Doch wie weiter? Wie erhöht man in der UNO den Druck auf China? Oder lässt man China einmal mehr davonkommen?»

Es brauche, so Kenneth Roth, im Menschenrechtsrat eine Mehrheit, die Ermittlungen gegen China beschliesst, die China verurteilt: «Es wäre das allererste Mal in der Geschichte der UNO.» 

Anders China. Viele Regierungen eifern dem autoritären und wirtschaftlich erfolgreichen Modell nach. Peking hat enormen Einfluss in der UNO.

Der Kampf für die Menschenrechte endet nie. Es liegt in der Natur von Regierungen, Menschenrechte zu verletzen, alle neigen dazu.
Autor: Kenneth Roth

Es sieht weltweit im Moment nicht gut aus für die Menschenrechte, Rückschläge sind weitaus häufiger als Fortschritte. Tritt Kenneth Roth also frustriert zurück? Nein, findet er, er habe viel erreicht: «Doch hätte ich gewartet, bis alles in Ordnung ist, könnte ich Human Rights Watch nie verlassen. Denn der Kampf für die Menschenrechte endet nie. Es liegt in der Natur von Regierungen, Menschenrechte zu verletzen, alle neigen dazu.»

Und ohne einflussreiche Organisationen wie Human Rights Watch wäre die Lage noch viel schlimmer, gebärdeten sich Machthaber noch weitaus repressiver. 

Schikane und Kritik

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Dass Regierungen Human Rights Watch immer wieder aufs Schärfste angreifen und verunglimpfen, zeige, man habe Einfluss, sei ihnen lästig: «Zuerst bestreiten sie die Vorwürfe, dann versuchen sie ihre Kritiker in ein schlechtes Licht zu rücken. Ich reagiere stets gleich: Wenn ihr glaubt, wir liegen falsch – dann beweist das mit Fakten. Das gelingt den Regierungen praktisch nie.» 

Kenneth Roth selber darf seit Jahren nicht mehr nach China einreisen. Stolz ist er nicht darauf, er sieht es als Erschwernis bei seiner Arbeit. Das Human-Rights-Watch-Büro in Moskau wurde zwangsgeschlossen. Kritisiert werden er und seine Mitstreiter aber auch im Westen, etwa von Israel und in den USA, da primär von rechts, weil man auch die israelische Besatzungspolitik in Palästina dokumentiert.

Sorgen, persönlich wie beruflich, bereitet Kenneth Roth die Entwicklung in seiner amerikanischen Heimat selber: «Die Bewegung gegen die US-Demokratie, angeführt von Ex-Präsident Donald Trump, ist sehr, sehr ernstzunehmen. Wir müssen wachsam bleiben.» Derzeit hielten die demokratischen Institutionen stand. Noch.

Will man wissen, wie wichtig Menschenrechte sind, darf man nicht Regierungen fragen, sondern die Leute.
Autor: Kenneth Roth Human Rights Watch

Gar nichts hält Kenneth Roth davon, wenn Länder wie China versuchten, die Menschenrechte umzudefinieren, weg von Freiheitsrechten. Und dabei argumentierten, die Rechte Einzelner gegenüber Staaten seien ein rein westliches Konzept: «Wer derlei behauptet, soll mit der eigenen Bevölkerung sprechen. Diese will Menschenrechte, Freiheitsrechte. In jedem einzelnen Land der Welt. Will man wissen, wie wichtig Menschenrechte sind, darf man nicht Regierungen fragen, sondern die Leute. Noch nie bin ich jemandem begegnet, der oder die hingerichtet werden wollte, gefoltert, willkürlich verhaftet oder diskriminiert.» 

Für Regierungen sind die Menschenrechte mühsam; sie schränken den Handlungsspielraum ein. Doch Menschen wollen Menschenrechte. Deshalb engagiert sich Kenneth Roth weiter dafür. Künftig einfach ohne seinen Chefposten.

Echo der Zeit, 22.9.2022, 18 Uhr

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