Auf Initiative der Schweiz beschloss das mächtigste UNO-Gremium vor einem Jahr eine Resolution zum Schutz humanitärer Helfer in Kriegsgebieten. Der Beschluss gilt als einer der wichtigsten Erfolge der Schweiz während ihrer zweijährigen Mitgliedschaft im Sicherheitsrat.
Zu Beginn der UNO-Gipfelwoche in New York hat sich jetzt Aussenminister Ignazio Cassis mit Amtskollegen aus anderen Ländern getroffen. Ihr gemeinsames Ziel: Der Resolution mehr Nachachtung zu verschaffen.
Wir haben in den letzten beiden Jahren mehr Mitarbeiter verloren als in den Jahrzehnten davor, aufs Jahr gerechnet. Das muss aufhören.
Das sei wichtig und dringend, findet die Präsidentin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Mirjana Spoljaric. Denn Angriffe auf Nothelfer hätten erheblich zugenommen: «Wir haben in den letzten beiden Jahren mehr Mitarbeiter verloren als in den Jahrzehnten davor, aufs Jahr gerechnet. Das muss aufhören.»
Einer der Hauptgründe für die häufig gezielten Angriffe auf jene, die den Opfern helfen wollen: «Wir beobachten, dass humanitäre Hilfe systematisch instrumentalisiert wird, um militärische Ziele zu verfolgen. Das ist inakzeptabel.»
Die Weltgemeinschaft müsse erkennen, dass ohne den Schutz humanitärer Helfer über kurz oder lang gar keine humanitäre Hilfe mehr geleistet werden könne, betont Spoljaric.
Genfer Konventionen ausgehöhlt
Eine weitere Initiative, über die diese Tage in New York diskutiert wird und der sich immerhin bald hundert Länder angeschlossen haben, fordert eine Rückbesinnung auf das humanitäre Kriegsvölkerrecht, das in den Genfer Konventionen festgeschrieben ist.
Diese seien immer noch aktuell und enthielten alles Notwendige, so die IKRK-Präsidentin: «Die Genfer Konventionen genügen, um die Menschen in Gaza, in der Ukraine, im Sudan zu schützen. Aber sie werden ausgehöhlt und zu lax interpretiert.»
Was wir heute in Gaza sehen, lässt sich nicht rechtlich, nicht moralisch und auch nicht militärisch rechtfertigen.
Es fällt auch auf, welche Länder sich bislang nicht hinter die globale Initiative des IKRK stellen – darunter Russland, aber auch die USA und Israel, obschon alle drei seinerzeit die Genfer Konventionen mitunterzeichnet haben.
Zu den drastischsten Beispielen für die Missachtung gehöre, was sich aktuell im Nahen Osten abspiele: «Was wir heute in Gaza sehen, lässt sich nicht rechtlich, nicht moralisch und auch nicht militärisch rechtfertigen. Wir erleben hier ein völliges Versagen der Menschlichkeit.»
Und sie erinnert daran: «Es sind immer noch Geiseln in Gaza, die nicht freigelassen wurden. Auch das lässt sich nur über eine Waffenruhe bewerkstelligen.»
Mehr Kriege, mehr Not, weniger Geld
Während weltweit die Not grösser wird, nehmen die finanziellen Mittel, um Hilfe zu leisten, ab. Besonders krass erfährt das zurzeit die UNO, vor allem weil die bis anhin äusserst grosszügigen USA seit Präsident Donald Trumps Amtsantritt die Gelder radikal gekappt haben.
UNO-Nothilfechef Tom Fletcher lancierte im Sicherheitsrat kürzlich einen Hilferuf. Das IKRK wiederum kann nicht einspringen, wo die UNO kürzen muss, weil es selber in Budgetnöten steckt.
Fast 130 Konflikte im Gang
Aber es gehe gar nicht nur ums Geld, betont Mirjana Spoljaric: «Was wir noch dringender brauchen als Geld, ist, dass die Zunahme an Konflikten aufhört.»
Nie seit dem Zweiten Weltkrieg gab es so viele wie derzeit. Laut IKRK nämlich um die 130. Und viele von ihnen werden mit immer brutaleren Mitteln geführt und fordern entsprechend noch mehr Opfer.