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Huthi im Jemen Zwischen arabischer Speerspitze und Mafia-Staat

Die Huthi nutzen den Gaza-Konflikt, um ihre Macht zu festigen. Gegen innen regiert die Repression, sagt der Experte.

Die Huthi kontrollieren zwei Drittel der jemenitischen Bevölkerung auf einem Gebiet, das weit über ihre eigentlichen Stammlande hinausreicht. Sie tun dies mit politischer Repression, mafiösen Geschäftsgebaren und religiösem Eifer. 

Gleichzeitig wissen die Huthi geschickt Kapital zu schlagen aus der Konfrontation mit Israel und dem Westen. Sie erklären sich zur Speerspitze des arabischen Widerstands. Das stürze viele Menschen im Jemen ins Dilemma, sagt Abdulghani Al-Iryani vom renommierten Thinktank Sanaa Center for Strategic Studies. Er war zuvor Jemen-Berater für eine Reihe von UNO-Organisationen und die Weltbank. 

Israel tötet bei spektakulärem Anschlag ranghohe Huthi

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Mann in Uniform mit Postern bei Protest in Stadt mit Türmen im Hintergrund.
Legende: IMAGO/Mohammed Hamoud

Bei einem israelischen Luftangriff im Jemen ist letzte Woche der Ministerpräsident der vom Iran unterstützten Huthi-Miliz getötet worden. Bei der Attacke auf eine Versammlung der Miliz in der Hauptstadt Sanaa seien sowohl Ahmed al-Rahaui als auch mehrere Huthi-Minister ums Leben gekommen, wie die islamistische Schiiten-Organisation am Wochenende mitteilte. Weitere ihrer Mitglieder seien verletzt worden.

Am Dienstag haben sich Tausende Menschen zur Beisetzung des durch Israel getöteten Ministerpräsidenten der Huthi-Miliz versammelt. Zur Trauerfeier in einer Moschee in der Hauptstadt Sanaa, die von der Miliz kontrolliert wird, erschienen Tausende Menschen, wie der Huthi-Fernsehsender Al-Masirah berichtete.

«Sie sehen, wie korrupt und brutal die Huthi sind. Doch man anerkennt gleichzeitig, dass die Rebellen für die palästinensische Sache kämpften und hält deswegen bis auf Weiteres zu ihnen», so Abdulghani Al-Iryani. 

Die Huthi nutzen den Krieg in Gaza

Solidarität mit Palästina sei nicht nur Rebellenpropaganda. Es gebe ein tiefes Mitgefühl im Jemen für die palästinensische Bevölkerung, sagt der Experte. Und je schockierender die Zustände in Gaza, umso effektiver spielten die Huthi diese Karten. 

Schon kurz nach Beginn des Gaza Krieges begannen die israelfeindlichen Milizen den internationalen Schiffsverkehr im Roten Meer zu torpedieren und auch Israel direkt zu beschiessen. 

Aufstieg der schiitischen Miliz

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Gruppe von Menschen mit erhobenen Fäusten.
Legende: REUTERS/Khaled Abdullah

Die Huthi hatten 2014 weite Teile des Nordjemen samt der Hauptstadt Sanaa überrannt. Heute kontrollieren sie dort alle Bereiche des öffentlichen Lebens. Ihre Regierung wird international nicht anerkannt.

Die vom Iran unterstützte schiitische Miliz hatte nach Beginn des Gaza-Kriegs im Oktober 2023 mit Angriffen auf Israel begonnen, vor allem auf Schiffe im Roten Meer mit mutmasslichem Bezug zu Israel. Israel und die USA griffen ihrerseits wiederholt Ziele im Jemen an.

Das hatte seinen Preis. Israel und die USA haben Raketenstellungen, aber auch Infrastruktur im Gebiet unter der Kontrolle der Huthi zerstört.

«Den Preis bezahlte vor allem die Bevölkerung. Die Stromversorgung brach zusammen, Unbeteiligte wurden getötet. Die Huthi-Führung dagegen konnte die Schäden wegstecken», so Abdulghani Al-Iryani.

Das Schattenregime von Sanaa

Aber gilt das auch, wenn ranghohe politische und militärische Repräsentanten getötet werden? Traf Israel letzte Woche nicht den Kern des Regimes? «Mitnichten», sagt Abdulghani Al-Iryani. Wer das glaube, verkenne die Struktur der schiitischen Rebellenorganisation.

Die eigentliche Führung der Huthi arbeitet im Verborgenen.
Autor: Abdulghani Al-Iryani Jemen-Experte, Sanaa Center for Strategic Studies

«Was Israel erreichte, war ein schneller Propagandaerfolg, mehr nicht.» Denn die Regierung sei nur eine Fassade, das Regime in Sanaa bestenfalls nach aussen als eine normale Verwaltung organisiert. «Die eigentliche Führung der Huthi arbeitet im Verborgenen», sagt Abdulghani Al-Iryani.

Der Jemen ist ein Spielball der Regionalmächte

Die Huthi sind straff geführt, aber nicht einstimmig. Es gibt auch pragmatische Kräfte. Was wäre, wenn diese an Gewicht gewinnen und die Deeskalation suchten? Al-Iryani will es nicht völlig ausschliessen, hält aber auch das für unwahrscheinlich. 

Zuletzt setzten die Israelis und die USA auf spektakuläre Angriffe aus der Luft. Vor ihnen versuchten die Saudis und die Emiratis, die Huthi von der Macht zu vertreiben. Vergebens.

Droht den Huthi das gleiche Schicksal wie der Hisbollah?

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Der israelische Premierminister Netanjahu sagte nach dem Anschlag auf die Huthi-Führung von vergangener Woche, das sei erst der Anfang, Israel werde die gesamte Führung der Huthi eliminieren. Das erinnert an Netanjahus Vorgehen im Libanon, wo die israelische Armee tatsächlich Schritt für Schritt die Entscheidungsträger der Hisbollah tötete. Wie die Huthi ist die libanesische Miliz Teil der sogenannten Achse des Widerstands, verbündet mit dem Iran. 

Könnte sich nicht ein vergleichbares Szenario jetzt im Jemen abspielen? Nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich, glaubt der Politexperte Al-Iryani. «Im Libanon hatte Israel Jahrzehnte Erfahrung in Aufklärung und Infiltration. Das ist im Jemen nicht der Fall.» Auch sei das Gebiet, in dem die Huthi operieren, fünfzigmal so gross, wie es die Operationsbasis der Hisbollah war, und schwer zugänglich. 

Dass der Krieg zu keinem Ende komme, liege gerade an der fortwährenden Einmischung von aussen: «Die externe Intervention gibt den Huthi immer aufs Neue wieder die Möglichkeit, sich als die wahren Verteidiger der Heimat in Szene zu setzen.»

«Nur die Jemeniten selbst können mit den Huthi fertig werden», ist Abdulghani Al-Iryani überzeugt. Er plädiert schon lange für eine föderalistische Neuordnung. Alle Versuche, das heterogene, von Stammesinteressen geprägte Land zentral zu steuern, seien illusorisch. 

Doch von einer Lösung sei der Jemen heute nur noch weiter entfernt.

SRF4 News, 01.09.25, 5 Uhr

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