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Wie die Huthi-Rebellen im Gazakrieg mitmischen
Aus Echo der Zeit vom 15.11.2023. Bild: Yahya Arhab / EPA
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Nebenfront im Gazakrieg Huthi-Rebellen: die Bedrohung für Israel aus dem Jemen

Ihre Gegner im Jemenkrieg wollten sie in die Knie zwingen. Das Gegenteil geschah, sie wurden immer stärker.

An der nördlichen Grenze zu Israel hortet die mächtige schiitische Miliz Hisbollah zehntausende Raketen, die stärksten könnten von Libanon aus Ziele tief in Israel erreichen. Aber auch im Süden, am Roten Meer, nimmt eine bewaffnete Gruppe Israel ins Visier: die Huthi-Rebellen aus Jemen.

Die Huthis haben in den letzten Wochen wiederholt Drohnen und Marschflugkörper in Richtung der israelischen Stadt Eilat abgefeuert. Wie die Hisbollah werden auch die Huthis von der israelfeindlichen Regionalmacht Iran unterstützt und zählen zur «Achse des Widerstands» von bewaffneten Gruppen, welche Iran in der Region unterhält.

Ihre Anfänge als politische Bewegung fallen in die Zeit der US-Invasion im Irak 2003. Die Vorstellung, dass der «ungläubige Westen» im Nahen Osten mache, was er wolle, hat die Stammeskämpfer aus den nordjemenitischen Bergen geprägt. Israel erscheint in ihrer Propaganda als ein weiteres und besonders eklatantes Beispiel westlicher Kolonisierung «islamischer Erde».

Rassistische Kampfparole

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Legende: Getty Images/Mohammed Hamoud

Wer auf den Websites der Huthis unterwegs ist, stösst schnell auf deren krude Kampfparole: «Amerika den Tod, Israel den Tod, den Juden Verdammnis, dem Islam den Sieg.» Es ist ihr wichtigster Slogan – er ist offen rassistisch.

Darin unterscheiden sich die Huthis von der iranischen Regierung oder von der mächtigen schiitischen Miliz in Libanon, der Hisbollah, zu denen sie enge Beziehungen pflegen. Beide, die iranische Regierung und die Hisbollah, geben sich Mühe, in der Öffentlichkeit als antiisraelisch, nicht aber als antijüdisch zu erscheinen. Die Huthis haben solche Skrupel nicht.

Was die islamistische Bewegung zur Rebellion in Jemen antrieb, war aber das Gefühl, als Stamm mit grosser Geschichte im eigenen Land nicht respektiert zu sein. Also verschafften sie sich den Respekt mit Waffen und skrupelloser Bündnispolitik.

Huthi-Kämpfer lässt sich im Jemen mit Gaza-Flagge abbilden (3.11.2023)
Legende: Die Huthis stürmten 2014 die Hauptstadt Sanaa, vertrieben die jemenitische Regierung und eroberten bald das halbe Land. Bild: Huthi-Kämpfer lässt sich in Jemen mit Gaza-Flagge abbilden (3.11.2023) Keystone/EPA/Medienstelle der Huthis

Zugute kam ihnen die notorische Zerstrittenheit ihrer Gegner, aber auch, dass sie stets unterschätzt wurden – und werden, sagt der Jemenexperte Farea Al-Muslimi.

Die Kämpfer mit Flipflops und Stammestracht sind zu einer gewaltigen Streitmacht geworden.
Autor: Farea Al-Muslimi Jemen-Experte, Forschungsinstitut Chatham House in London

Al-Muslimi erinnert an das allgemeine Erstaunen, als die Huthis 2018 nicht mehr nur Kalaschnikows, sondern plötzlich mehr als eintausend Raketen und Drohnen besassen. Und erst vor wenigen Wochen zeigten die Huthis, dass sie nun sogar über Raketen mit einer Reichweite von 2000 Kilometern verfügen. «Und wieder waren alle fassungslos.»

Farea Al-Muslimi
Legende: Al-Muslimi stammt selber aus Jemen und analysiert die Verhältnisse in seiner Heimat als Experte für das renommierte britische Auslandforschungsinstitut Chatham House in London. SRF/Philipp Scholkmann

Dabei sei längst klar: «Die Kämpfer mit Flipflops und Stammestracht sind zu einer gewaltigen Streitmacht geworden.» Ihre Kapazitäten reichten inzwischen weit über Jemen hinaus. Mit ihren Waffen können sie auch Ziele im Süden Israels erreichen. Dank Iran.

Huthi-Rebellen sollen Frachtschiff entführt haben

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Ein Huthi-Sprecher erklärte in den sozialen Medien am Sonntag, man werde alle Schiffe angreifen, die israelischen Unternehmen gehören, von solchen betrieben werden oder unter israelischer Flagge fahren.

Der Sprecher rief alle Länder dazu auf, ihre Staatsbürger von den Besatzungen solcher Schiffe abzuziehen.

Die Huthi-Rebellen haben vor der Küste des Jemens Medienberichten zufolge später am Sonntag ein Frachtschiff entführt und mehrere Geiseln genommen. Die Rebellen hätten an Bord des Autotransporters «Galaxy Leader» die Kontrolle übernommen, berichtete der Nachrichtensender Al-Hadath am Sonntag. An Bord sei eine 22-köpfige Besatzung. Eine Quelle für diese Angaben nannte Al-Hadath nicht.

Israelischen Medien zufolge soll das Frachtschiff von einem Unternehmen betrieben werden, das zum Teil dem britisch-israelischen Geschäftsmann Rami Ungar gehört. Die etwa 190 Meter lange «Galaxy Leader» wurde 2002 gebaut und fährt unter Flagge der Bahamas.

Ein Sprecher der israelischen Armee sprach von einem «sehr schwerwiegendem Vorfall mit globaler Reichweite». Der Frachter sei von der Türkei auf dem Weg nach Indien mit einer internationalen Crew an Bord gewesen. Israelische Staatsangehörige seien nicht an Bord. Er betonte, es handle sich um «kein israelisches Schiff».

Al-Muslimi sieht zwei Szenarien für das Verhalten der Huthis im Konflikt mit Israel. Das eine ist, dass irgendeine Form von Waffenruhe für Gaza geschlossen wird. Die Huthis würden das als Propagandaerfolg auch für sich verbuchen in ihrem Kampf für die «Befreiung Palästinas» und sich danach wieder an den Verhandlungstisch mit ihren jemenitischen Kriegsgegnern begeben. Denn vor der Gewalteskalation um Gaza waren die jemenitischen Kriegsparteien so nahe an einem Abkommen wie nie zuvor, sagt der Experte. Diese Friedenshoffnung für Jemen hänge seither in der Luft. 

Im Krieg gegen Saudis gestärkt

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Legende: Irans Präsident Ebrahim Raisi bei Militärparade in Teheran (23.09.2022) Keystone/AP/Vahid Salemi

Als Saudi-Arabien 2015 in den Jemenkrieg gegen die Huthis einstieg, liess sich der Rivale Iran nicht zweimal bitten. Das Regime in Teheran begann, die schiitischen Stammeskämpfer aus Nordjemen zu unterstützen – erst versteckt, inzwischen ganz offen: Die Huthis sind heute auch offiziell Teil der sogenannten «Achse des Widerstands» von bewaffneten Gruppen, die Iran in der Region unterhält.

Das zweite, düstere Szenario ist jenes einer weiteren Eskalation in der Region. Al-Muslimi kann sich vorstellen, dass die Huthis in diesem Fall weitere, gezielte Angriffe mit hoher Symbolkraft auf Israel verüben. Vor allem aber würden sie sich wohl auf ein naheliegenderes und ebenso wirkungsvolles Ziel konzentrieren, die Störung des israelischen und internationalen Schiffsverkehrs.

Vor der jemenitischen Küste durch die Meerenge Bab al-Mandab und das Rote Meer Richtung Suezkanal verläuft eine der wichtigsten Transportrouten. «Die Rebellen aus den Bergen sind heute stark genug, um den globalen Seehandel zu torpedieren», sagt Al-Muslimi. Dass sie darauf abzielen könnten, haben die Huthis diese Woche selber angedroht. Die neueste Frontlinie auf der iranischen «Achse des Widerstands» verlaufe mitten durchs Rote Meer, warnt Al-Muslimi.

Echo der Zeit, 15.11.2023, 18 Uhr

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