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Im Schatten des Ukraine-Kriegs Regierungspartei bleibt stärkste Kraft in Lettland

  • Bei der Parlamentswahl in Lettland liegt die liberalkonservative Partei Jauna Vienotiba (Neue Einigkeit) von Regierungschef Krisjanis Karins vorn. Sie hat 18.9 Prozent der Stimmen erhalten.
  • Laut der Wahlkommission wurde zweitstärkste Kraft das oppositionelle Bündnis der Bauern und Grünen mit 12.7 Prozent.
  • Das neu gebildete Wahlbündnis Vereinigte Liste erreicht 11.0 Prozent. 

Grösster Verlierer der Wahl ist die bislang stärkste politische Kraft in Lettland, die Oppositionspartei Harmonie. Deren Stammwählerschaft ist vor allem die starke russischstämmige Minderheit, die bei früheren Wahlen jeweils die meisten Stimmen erreichte. 2018 hatte sie noch knapp 20 Prozent der Stimmen erhalten und war damit grösste Oppositionspartei geworden.

Nun wird Harmonie voraussichtlich nicht mehr im Parlament (Saeima) vertreten sein. Angetreten zur Wahl waren 19 Parteien, aber nur acht schafften den Einzug ins Parlament. Die Wahlbeteiligung lag bei 59 Prozent.

Schwierige Koalitionsbildung

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs und der Sorgen über steigende Energiepreise haben die Wählenden die Partei Jauna Vienotiba von Regierungschef Krisjanis Karins zur neuen stärksten politischen Kraft gemacht. Aber nach dem schlechten Abschneiden der drei bisherigen Bündnispartner ist offen, wie die künftige Regierung aussehen könnte.

Premierminister Karins, der als erster lettischer Regierungschef eine volle Amtszeit von vier Jahren überstanden hat, möchte auch die kommende Regierung anführen. Dafür ist er aber auf neue Bündnispartner angewiesen.

Politologen gehen in Wahlsendungen im lettischen Fernsehen von schwierigen Koalitionsverhandlungen aus. Staatspräsident Egils Levits, der den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen wird, will am Montag mit den Vertretern der gewählten Parteien zu Gesprächen zusammentreffen.

Die Angst vor dem Nachbarn

Lettland grenzt an Russland und sieht dessen Invasion in die Ukraine als direkte Gefahr für seine Sicherheit. Ein Grossteil der Bevölkerung fürchtet laut Umfragen, dass auch ihr Land von Russland attackiert werden könnte. Ein Viertel der Letten ist russischsprachig.

Regierungschef Karins hatte sich klar gegen das russische Vorgehen ausgesprochen. Durch seine strikte Haltung könnte sich aber die wachsende Kluft zwischen der lettischen Mehrheit und der russischsprachigen Minderheit vertiefen.

Gemeinsam mit den baltischen Partnern Estland und Litauen forderte die Regierung in Riga zuletzt immer wieder ein härteres Vorgehen des Westens gegen Russland. So stehen die baltischen Regierungen beispielsweise einer raschen Aufnahme der Ukraine in die Nato und die EU offen gegenüber. Eine Aufnahme von fliehenden russischen Reservisten lehnen sie ab.

Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine hat die Regierung bei der russischsprachigen Bevölkerung zuvor populäre Erinnerungsfeiern etwa zum Tag des sowjetischen Sieges im Zweiten Weltkrieg untersagt. Ein 84 Meter hohes Bauwerk zum Gedenken daran in der Hauptstadt Riga wurde abgetragen.

Beliebte Fernsehsendungen aus Russland wurden verboten und die Regierung hat Pläne vorgelegt, das gesamte Bildungswesen auf Lettisch umzustellen und Russischunterricht rasch abzuschaffen.

SRF 4 News, 2.10.2022, 10:30 Uhr ; 

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