Es war der Vorsitzende des Gerichts persönlich, John Roberts, der den entscheidenden Hinweis gab, wohin sich die Anklage gegen Donald Trump wegen seiner Verantwortung für den Kapitolsturm vom 6. Januar 2021 entwickeln könnte. Während der fast drei Stunden dauernden Anhörung vor dem Obersten Gerichtshof der USA stellte Roberts die Frage in den Raum: «Weshalb sollen wir den Fall nicht an das Appellationsgericht zurückgeben?»
Für Donald Trump wäre das ein Erfolg. Denn selbst wenn er am Ende mit seinem Argument, als damaliger Präsident gegen eine Strafverfolgung immun zu sein, verlieren sollte: wenn der Fall ans Appellationsgericht zurückgereicht würde mit der Auflage, weitere juristische Fragen zu beantworten, wäre ein Prozessbeginn noch vor den Wahlen am 5. November 2024 ausgeschlossen. Das ist die ganze Strategie von Trump: Hinauszögern und nochmals Hinauszögern.
Handlungen «im Amt» versus «privat»
Zuvor hatte sich die Anhörung vor dem Obersten Gerichtshof der USA hauptsächlich um eine Frage gedreht: wie unterscheiden zwischen einer «offiziellen Amtshandlung» eines Präsidenten und einer «privaten Handlung» im Amt, und ob Sonderermittler Jack Smith in seiner Anklage eine genügend klare Trennlinie gezogen habe zwischen den beiden.
«Wenn ein Präsident entscheidet, sein Gegner sei korrupt, und dem Militär befiehlt, diesen zu ermorden, ist das ein offizieller Akt, für den er Immunität erhält?», fragte die liberale Oberste Richterin Sonia Sotomayor Trumps Anwalt John Sauer. Dessen Antwort: Das hänge von den Umständen ab und könne sehr wohl eine offizielle Amtshandlung darstellen.
«Zeremonieller Präsident»
Zuvor hatte Trumps Anwalt argumentiert, ein Präsident ohne absolute Immunität würde seine ganze Macht verlieren: «Wenn ein ehemaliger Präsident für seine umstrittensten Entscheidungen angeklagt, vor Gericht gestellt und ins Gefängnis geworfen werden kann, dann wird das seine Entscheide beeinflussen, exakt dann, wenn angstfreie Entscheidungen nötig wären.»
Trump selbst hatte zuvor 350 Kilometer entfernt vor seinem anderen Gerichtstermin in New York den Medien zugerufen, wenn ein Präsident keine Immunität mehr geniesse, würde er «ein zeremonieller Präsident».
Richter zweifeln an Trumps Argumenten
Die neun Richterinnen und Richter am Obersten Gerichtshof, von denen Trump selbst als Präsident drei einsetzte, schienen dieser Argumentation Trumps zwar nicht zu folgen. Ihre Fragen machten den Anschein, als würden sie Trumps Immunitätsanspruch in bestimmten Teilen durchaus ablehnen, und somit Verfahren gegen ihn wegen seines Verhaltens nach den verlorenen Wahlen 2020 zulassen.
Doch die konservativen Richterinnen äusserten auch Bedenken, dass dies in Zukunft solchen Klagen Tür und Tor öffnen würde. Dass der Oberste Gerichtshof diese Frage auf Bitten von Sonderermittler Smith schon im letzten Dezember hätte nachgehen können, darauf gingen die Obersten Richterinnen und Richter dabei nicht ein.