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In den Dolomiten Weitere Leiche nach Gletschersturz in Norditalien entdeckt

  • Die Rettungskräfte in den italienischen Dolomiten haben nach dem Gletschersturz eine weitere Leiche entdeckt.
  • Damit steigt die Zahl der Todesopfer, die bei der Lawine am Sonntag am Berg Marmolata ums Leben kamen, auf sieben.
  • Die Behörden vermuten weitere Todesopfer auf dem Berg. Es werden noch 17 Menschen vermisst.

Am Montag wurden die Such- und Rettungsarbeiten am mehr als 3340 Meter hohen Berg Marmolata – dem höchsten in den Dolomiten auf der Grenze der Regionen Trentino-Südtirol und Venetien – weitergeführt. Helikopter und Drohnen suchten das Gebiet ab, in dem die Lawine aus Schnee, Eis und Geröll mehrere Bergsteiger mitriss.

Sieben Menschen verloren bei dem Unglück Stand Montagnachmittag ihr Leben, wie ein Sprecher der Autonomen Provinz Trentino bestätigte. Die Zahl der Vermissten stieg laut Nachrichtenagentur Ansa auf 17. Acht Menschen erlitten Verletzungen.

Gletscher in den italienischen Alpen in der Nähe von Trient, von dem ein grosses Stück abgebrochen ist.
Legende: Dieses am Sonntag, dem 3. Juli 2022, von der italienischen Berg- und Höhlenrettung veröffentlichte Bild zeigt den Gletscher in den italienischen Alpen in der Nähe von Trient, von dem ein grosses Stück abgebrochen ist. Keystone / Corpo Nazionale Soccorso Alpino e Speleologico via AP

Die Rettungsarbeiten wurden wegen eines aufziehenden Unwetters zwischenzeitlich unterbrochen. Auch Italiens Ministerpräsident Mario Draghi, der per Helikopter das Lagezentrum in Canazei am Fusse des Berges besuchen wollte, konnte dort nicht landen und musste nach Verona ausweichen, um auf ein Auto umzusteigen.

Italiens Staatschef Sergio Mattarella telefonierte derweil mit den Präsidenten der beiden Regionen, um seine Anteilnahme auszudrücken, wie der Quirinalspalast mitteilte. In Canazei trafen laut Ansa erste Verwandte von Vermissten ein, um bei den Rettungsdiensten nach Informationen zu ihren Angehörigen zu fragen.

Als wir vor Ort ankamen, bot sich uns ein unglaubliches Bild.
Autor: Luigi Felicetti Bergretter

Bergretter Luigi Felicetti berichtete am Sonntag von dem Einsatz: «Als wir vor Ort ankamen, bot sich uns ein unglaubliches Bild. Überall lagen Eisblöcke und riesige Steine.» Die Nachrichtenagentur Ansa zitierte Ermittler, wonach sich an dem Berg ein «unvorstellbares Blutbad» abgespielt habe, nach dem «es schwer sein wird, die Identität der Opfer festzustellen, denn die Körper wurden zerstückelt» von den Eis- und Steinbrocken.

Auf etlichen Handyvideos war zu sehen, wie die Lawine über die Felswände des Massivs ins Tal stürzte.

Sie pflügte auch über einen der Hauptzugangswege auf den Berg, auf dem sich mehrere Seilschaften befanden. Mindestens zwei wurden getroffen. Ein Sprecher der italienischen Bergrettung sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass zunächst unklar war, ob neben den Seilschaften noch einzelne Bergsteiger an den Unglücksstellen unterwegs waren.

«Wir haben ein lautes Geräusch gehört, typisch für einen Bergsturz», sagte ein Augenzeuge der Nachrichtenagentur Ansa. «Danach sahen wir eine Lawine von Schnee und Eis in hoher Geschwindigkeit in Richtung Tal stürzen und wir wussten, dass etwas Schlimmes passiert ist.»

Hohe Temperaturen

Zur Ursache des Unglücks gab es zunächst keine offiziellen Angaben – allerdings deutet alles darauf hin, dass die hohen Temperaturen der vergangenen Tage, Wochen und Monate eine Rolle spielen dürften. Erst am Samstag wurde nach Medienberichten auf dem Gipfel des Berges ein Rekordwert von zehn Grad gemessen. «So etwas habe ich auf der Marmolata noch nie gesehen. Das war keine normale Lawine wie im Winter», sagte ein Bergretter.

Reinhold Messner: Grund ist Erderwärmung

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Reinhold Messner
Legende: Der Extrembergsteiger Reinhold Messner befürchtet, dass es solche Vorfälle wie an der Marmolata künftig häufiger geben wird. Archiv/Keystone

Extrembergsteiger und Umweltschützer Reinhold Messner sieht in dem Unglück eine Folge des Klimawandels und der Erderwärmung. «Diese fressen die Gletscher weg», sagte der 77-Jährige im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. An den Abbruchkanten der Gletscher bilden sich dann sogenannte Eistürme – Seracs genannt – «die so gross sein können wie Wolkenkratzer oder Häuserzeilen», erklärte Messner. Vorfälle wie an der Marmolata «werden wir häufiger sehen», prognostizierte er, denn «heute gibt es viel mehr Fels- und Eisabbrüche als früher». Und diese können dann furchtbare Folgen haben wie am Sonntag auf dem Massiv an der Grenze zwischen den Regionen Trentino-Südtirol und Venetien.

Italien registrierte im vorigen Winter viel weniger Niederschlag als gewöhnlich, der Schnee fehlt vielen Gletschern nun als Schutz gegen die Sonne und die hohen Temperaturen.

SRF 4 News, 03.07.2022, 18:00 Uhr ; 

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