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Infektionsschutzgesetz Die Bundeskanzlerin will die Bundesländer per Gesetz entmachten

Eigentlich wäre die Sache klar: In deutschen Bundesländern mit einer Inzidenz über 100 (Fälle pro 100'000 Einwohner) greift die sogenannte Notbremse. Mit der Konsequenz: Läden zu, Museen zu, Kontakte runter. Darauf hatten sich die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder schon vor Wochen geeinigt. Doch kaum beschlossen, machte jedes Bundesland doch wieder, was es wollte.

Lockdown bitte ganz oder gar nicht

Das Saarland erklärte sich kurzerhand zur «Modellregion», wo trotz steigender Inzidenz mit Ausnahmen aller Art experimentiert wird. Brandenburg erhöhte den Schwellenwert eigenmächtig auf 200. Und in Nordrhein-Westfalen forderte Ministerpräsident und Beinahe-Kanzlerkandidat Armin Laschet einen «Brücken-Lockdown», der in seinem Bundesland längst hätte gelten müssen.

Währenddessen steigen die Zahlen, füllen sich die Spitäler und Intensivmedizinerinnen warnen vor dem drohenden Kollaps ihrer Stationen. Ein neuer Negativrekord an Patienten werde noch im April erreicht werden. Und eine Mehrheit der Deutschen findet nach monatelangem Hin und Her ohnehin: Lockdown bitte ganz oder gar nicht.

Jetzt aber wirklich

Krisenmanagement und Föderalismus vertragen sich nur bedingt, das hat die Corona-Pandemie gezeigt. Und so versucht die Kanzlerin nun durchzugreifen und der regionalen Selbstermächtigung einiger Länderchefs einen Riegel zu schieben. Die dritte Welle müsse aufgehalten werden, jetzt aber wirklich.

Bloss: So einfach ist das nicht in Deutschland, schon gar nicht, wenn es schnell gehen soll. Im Eilverfahren will die Bundeskanzlerin die Änderung des Infektionsschutzgesetzes durchziehen. Die dafür erforderliche Zweidrittelmehrheit im Bundestag (Parlament) ist nicht garantiert, genauso wenig die Zustimmung des Bundesrates (Länderkammer), sofern der nicht umgangen werden kann.

Widerstand ist programmiert

Die Opposition stemmt sich gegen eine vorgesehene nächtliche Ausgangssperre, die wohl bald die Gerichte beschäftigen wird. Diverse Klagen sollen bereits vorbereitet sein. Und die Vorgabe, Schulen müssten ab einer Inzidenz von 200 zwingend geschlossen werden, beschneidet die Länder in ihrer Bildungshoheit auf ungewohnte Art. Widerstand ist bereits programmiert.

Ein grosser Wurf wird das Infektionsschutzgesetz nicht werden, vielleicht nicht einmal ein kleiner. Die Kanzlerin hat und gibt sich Mühe. Dabei wäre die Sache doch eigentlich klar. Aber so einfach ist das eben nicht in Deutschland.

Bettina Ramseier

Deutschland-Korrespondentin, SRF

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Bettina Ramseier ist SRF-Korrespondentin in Berlin. Sie ist seit 15 Jahren TV-Journalistin: Zuerst bei TeleZüri, danach als Wirtschaftsredaktorin bei SRF für «ECO», die «Tagesschau» und «10vor10».

SRF 4 News, 13.04.2021, 14:00 Uhr

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