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Fahrzeuge von Sicherheitskräften verschwinden im Tränengas-Schwaden.
Legende: Die Unruhen in Ägypten reissen nicht ab: Aufnahme aus Kairo vom Wochenende. Reuters

International Ägypten will religiöse Parteien verbieten

Die umstrittene neue ägyptische Verfassung hat die erste wichtige Hürde genommen. Das Militär konnte seine starke Position eher noch festigen. Bald darf nun das Volk darüber abstimmen.

Die neue ägyptische Verfassung stärkt die Macht des Militärs, verbietet de facto religiöse Parteien und erlaubt Militärgerichten in gewissen Fällen, über Zivilisten zu urteilen: Mit der überarbeiteten Verfassung will die Übergangsregierung den Weg für einen politischen Neuanfang in Ägypten ebnen.

Volksabstimmung innert 30 Tagen

Vier Monate nach dem Ende des islamistischen Zwischenspiels unter Ex-Präsident Mohammed Mursi hat der Verfassungsentwurf jetzt die erste Hürde genommen: Ein Sondergremium segnete alle vorgeschlagenen Verfassungsartikel ab.

Damit ist der Weg frei für eine Volksabstimmung. Übergangspräsident Adli Mansur hat nun 30 Tage Zeit, das Referendum anzusetzen. Mitte 2014 dann sollen ein neuer Präsident und ein neues Parlament gewählt werden.

Astrid Frefel

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Portrait von Astrid Frefel

Die Journalistin lebt und arbeitet seit Ende der Neunzigerjahre in Kairo. Davor war die Ökonomin aus Basel Wirtschaftsjournalistin für verschiedene Zeitungen und berichtete als Korrespondentin für den «Tages-Anzeiger» aus Wien und Istanbul.

Zivilisten in gewissen Fällen vor Militärgericht

Einige Bestimmungen in der neuen Verfassung sind stark umstritten. Menschenrechtsaktivisten kritisieren vor allem, dass Zivilisten künftig vor Militärgericht kommen. Dies, wenn sie verdächtigt werden, Soldaten angegriffen zu haben. Demokratie-Aktivisten befürchten, die Bestimmung ziele vor allem darauf ab, gegen Demonstranten eingesetzt zu werden. «Die Militärs konnten ihre privilegierte Stellung behalten», sagt die Journalistin Astrid Frefel denn auch.

Auch bleibe die Armee bis auf weiteres ein bestimmender Faktor: Der Verteidigungsminister muss aus der Generalität kommen. «Mindestens für die nächsten acht Jahre wird das Militär eine wichtige Rolle in Ägypten spielen», kommt Frefel zum Schluss.

Scharia als Grundquelle des Rechts

Der Verfassungsentwurf hält ausserdem daran fest, dass die Scharia als Grundquelle des Rechts gelten soll. Dies sei aber nicht neu, sondern stehe seit Jahrzehnten in der ägyptischen Verfassung, sagt Frefel. Die Scharia bilde einen Teil der Identität Ägyptens.

Völlig unklar sei dagegen, wie das neu in die Verfassung aufgenommene Verbot von religiösen Parteien umgesetzt wird. «Experten sind sich völlig uneinig darüber, welche Konsequenzen dieser Artikel haben wird», so die Journalistin.

Fortschritte seien in dem Verfassungsentwurf insbesondere bei den persönlichen Freiheitsrechten festzustellen. Allerdings: «Er ist nicht der grosse Wurf, den man sich erhoffen könnte nach zwei Jahren mit revolutionärem Umbruch», sagt Frefel. Der Entwurf sei eher eine Revision der bestehenden Verfassung, das Grundgerüst bilde immer noch die Verfassung von 1971.

Seit Juli ist das Militär an der Macht

Nach monatelangen Massenprotesten gegen eine schleichende Islamisierung des Landes hatte das Militär Anfang Juli Präsident Mohammed Mursi gestürzt. Seither kommt das Land nicht zur Ruhe. Die Übergangsregierung, die vom Militär unterstützt wird, geht massiv gegen die islamistische Muslimbruderschaft vor. Diese fordert, Mursi müsse wieder als Präsident eingesetzt werden.

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