Ägypten ist noch weit von einer Stabilität entfernt. «Praktisch wöchentlich werden Polizisten und Soldaten angegriffen und getötet», sagt SRF-Korrespondent Pascal Weber.
Zwar sind die Urteile noch nicht rechtskräftig, dennoch sei die Stossrichtung klar zu erkennen. Das hohe Strafmass soll zur Abschreckung dienen, meint Pascal Weber. Allerdings sei zu befürchten, dass genau das Gegenteil eintreffen werde. Neue Proteste der Muslimbrüder und sogar Gewaltakte seien zu erwarten.
Urteilsspruch geprägt von Rache
In einem Schnellverfahren wurden die 529 Angeschuldigten wegen der Teilnahme an gewalttätigen Protesten und Mord abgeurteilt. 16 Angeklagte wurden nach Angaben der Justiz freigesprochen. Weder Presse noch Anwälte waren am Prozess zugelassen. Gegen 400 der Angeschuldigten wurden in Abwesenheit verurteilt, viele von ihnen sind untergetaucht oder auf der Flucht.
Von einem Schauprozess könne nicht die Rede sein. Allerdings zweifelt auch Weber die Rechtsstaatlichkeit in diesem Verfahren an. Vielmehr sei der Prozess als Racheakt von Richtern und Justiz, die unter der Herrschaft Mursis stark gelitten habe, zu werten.
Mit dem ersten scharfen Urteil zu den Unruhen nach der gewaltsamen Auflösung der Protestcamps der Mursi-Anhänger, ist die Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen. Über eine zweite Gruppe von rund 600 Angeklagten könnte in den kommenden Tagen die Urteile verhängt werden.
Wie stark das Urteil von Präsidentschaftskandidat Sisi beeinflusst ist, kann Pascal Weber schlecht einschätzen. «Die Verflechtungen zwischen Justiz und der Politik sind aber sehr eng.»
Die Islamisten in der Provinz Minia hatten im Sommer 2013 – wie auch ihre Gesinnungsgenossen anderswo in Ägypten – gegen die Entmachtung des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi durch das Militär demonstriert. Nach der blutigen Unterdrückung dieser Proteste in Kairo und Alexandria durch die Sicherheitskräfte mit mehr als 1000 Toten kam es in der oberägyptischen Provinz zu Unruhen mit Todesopfern.