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International Assad bewilligt Hilfstransport für belagerte Stadt

In Madaja herrscht eine dramatische Hungersnot. 40'000 Menschen sind in der syrischen Stadt eingeschlossen. Es gibt nichts mehr zu Essen. In ihrer Verzweiflung greifen die Menschen zu unfassbaren Mitteln. Jetzt hat die syrische Regierung Hilfslieferungen erlaubt.

  • Madaja wird seit Monaten von Assads Truppen belagert. Seit Oktober kam keine Hilfsorganisation mehr in den Ort.
  • In Madaja gibt es kaum mehr Nahrung. 40'000 Menschen drohen zu verhungern.
  • Nun erlaubt Assad erstmals wieder Hilfslieferungen.
  • Hintergrund der Belagerung ist ein Machtkampf zwischen Assad und den Rebellen. Letztere haben im Norden zwei regierungsfreundliche Enklaven eingekesselt.

Die Kleinstadt Madaja im Westen Syriens ist seit Monaten von Kämpfern umringt. Auf der einen Seite Assads Truppen, auf der anderen libanesische Hisbollah-Kämpfer. Scharfschützen in den Wäldern und verminte Strassen kommen hinzu. Es gibt kein Hinein und kein Hinaus. 40'000 Menschen sind eingeschlossen, die Hälfte davon Zivilisten.

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Nun hat die syrische Regierung von Baschar al-Assad laut UNO-Angaben Hilfslieferungen für die vom Hungertod bedrohten Menschen zugestimmt. Die Vorbereitungen laufen gemäss einer UNO-Sprecherin. Das IKRK hatte zuvor berichtet, es stünde in Syrien mit Hilfsmitteln bereit.

170 Tage abgeschottet

Die letzte Hilfslieferung kam im Oktober, so das Welternährungsprogramm der UNO. Auch Mitarbeiter des Roten Kreuzes und des syrischen Roten Halbmondes kamen damals noch in die belagerte Stadt. Danach waren sämtliche Zugänge zur Stadt abgeriegelt.

Aus dem Ort werden grausame – zunächst nicht zu verifizierende – Bilder verbreitet. Ausgehungerte Menschen, Kinder, die nur noch aus Haut und Knochen zu bestehen scheinen, leblose Körper. Laut dem TV-Sender Al-Dschasira sind allein im Dezember mindestens 30 Menschen verhungert. Insgesamt sind es wohl Hunderte.

Ein Arzt aus Madaja berichtete der Agentur DPA, die Bewohner würden Gras essen, um ihren Hunger zu stillen. Zudem würden sie seit einigen Tagen ihre Haustiere – Katzen und Hunde – schlachten.

Die Verzweiflung ist enorm: Auf Twitter kursieren Meldungen, dass Menschen auch starben, weil Sie Olivenblätter assen – und sich daran vergifteten. Nahrungsmittel sind alles, andere Güter werden nutzlos. So verkauft ein Besitzer sein Auto für 10 Kilogramm Reis oder 5 Kilogramm Milchpulver.

Verschiedene Medien berichten übereinstimmend unter Berufung auf Augenzeugen, dass in Madaja horrende Preise für Lebensmittel verlangt würden. Das wenige, das noch vorhanden ist, ist fast nur auf dem Schwarzmarkt erhältlich.

Ein Kilogramm Reis soll für umgerechnet über 300 Franken gehandelt werden. Dasselbe gelte für Linsen, Milchpulver oder Zucker – wenn überhaupt auffindbar.

Mittelalterliche Kriegstaktiken

Hintergrund der Aushungerungstaktik ist offenbar ein Machtspiel zwischen Assad und den Rebellen. Letztere hatten vergangenen Frühling die Kontrolle über die Assad-freundlichen Enklaven Fua und Kefraja im Nordwesten Syriens übernommen – und seither belagert (siehe Karte unten).

Der Angriff auf Madaja und die benachbarte Stadt Zabadani war ein Rachefeldzug Assads. Die beiden Städte gehörten zu den Orten, wo sich 2011 – zu Beginn der Aufstände gegen das Assad-Regime – Widerstand gegen den Herrscher formierte.

Bewährte Taktik

Auch weitere Städte in Syrien sind von Belagerungen betroffen. «Alle Kriegsparteien, Rebellen, Regime und IS, wenden diese Taktik an», sagt der Journalist Kurt Pelda, der in den letzten Jahren wiederholt nach Syrien gereist ist, in der Sendung «10vor10».

«Die Logik dahinter ist relativ einfach: Es ist nicht schwierig eine Stadt zu verteidigen, auch wenn man keine Panzer, Hubschrauber oder schwere Waffen hat – vor allem wenn die Stadt noch zerstört ist. Denn dann kann man Tunnel graben, Sprengfallen anbringen und Panzer können von aussen nur schwer eindringen.» Bei Belagerungen verliere man zudem weniger Leute.

Hilfslieferungen in belagerte Städte waren bisher sehr schwierig. «Denn jede Seite fordert jeweils, dass ihre belagerten Städte versorgt werden», so Pelda. «Es gibt immer nur Abkommen, wenn beide Seiten dies zulassen. Die involvierten Hilfswerke müssen dann mit verschiedenen Parteien sprechen. Und weil es mittlerweile so viele Konfliktparteien gibt, ist das eine schwierige Aufgabe – und macht dies so langwierig.

Strategisch wichtige Orte

Assads Truppen geht es nun nicht nur um die Rache gegen die Aufständischen. Madaja ist strategisch wichtig: Wenige Kilometer ausserhalb von Damaskus, nahe an der Grenze zum Libanon. Natürlich will Syriens Machthaber die Rebellen möglichst von der Hauptstadt möglichst weit weg drängen.

Zudem war das Tal zu Beginn des syrischen Bürgerkriegs zentral für Waffenschmuggel, wie Nahost-Experten in den Nachrichtenportalen «Vice» und «Guardian» erklären.

Die nun durch Assad bewilligten Hilfskonvois sollen laut UNO auch zu den von den Rebellengruppen belagerten Orten Fua und Kafraja gelangen.

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