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Kämpfer der selbsternannten Volksrepublik Donezk laufen an einem zerstörten Transporter der ukrainischen Armee vorbei.
Legende: Anhaltende Kämpfe, untermischt mit beiderseitiger Propaganda: Die Lage in der Ostukraine ist unübersichtlich. Reuters

International Brüchige Waffenruhe: «Es sieht nicht gut aus»

Aus verschiedenen Regionen der Ostukraine werden Kämpfe gemeldet. Der Journalist Christoph Wanner ist in Donezk. Er schildert, wie beide Seiten das Minsker Abkommen zunehmend unterhöhlen – und wie schwierig es ist, sich ein unabhängiges Bild über die Lage zu machen.

SRF News: Christoph Wanner, Sie befinden sich zurzeit in der ostukrainischen Stadt Donezk. Was wissen Sie über die Kämpfe?

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Christoph Wanner: Ich war eben am Stadtrand von Donezk und habe dort in der Nähe des Flughafens, der lange unter der Kontrolle der pro-russischen Separatisten stand, Artilleriefeuer gehört. Auch Debalzewe, ein strategisch wichtiger Eisenbahnknotenpunkt, ist hart umkämpft. Rebellen haben angekündigt, dass man überall die Waffen ruhen lassen könne, nur nicht in Debalzewe. Auch aus dem Süden des Kriegsgebiets gibt es Meldungen von Kämpfen: Die Stadt Mariupol, im Moment unter ukrainischer Kontrolle, soll von pro-russischen Rebellen mit Raketenwerfern angegriffen worden sein. Dabei soll es fünf Tote und 20 Verletzte gegeben haben. Allerdings ist es schwierig, all die Zahlen zu überprüfen. Natürlich geben sich auch wieder beide Kriegsparteien gegenseitig die Schuld. Wer die Wahrheit sagt und wer wirklich die Verantwortung für die brüchige Waffenruhe trägt, kann ich nicht mit Sicherheit sagen.

Woher kriegen Sie die Informationen?

Das Artilleriefeuer in der Nähe des Flughafens in Donezk habe ich selber gehört. Die anderen Informationen kriegen wir einerseits vom Informationszentrum hier in Donezk. Dort kann man vorbeigehen, es gibt jeden Tag Pressebriefings. Natürlich muss man sich auch mit Kollegen kurzschliessen, die sich auf der ukrainischen Seite befinden. Das alles vergleicht man dann mit Nachrichten auf dem Internet und versucht sich schliesslich aus allem einen Reim zu machen. Andere Möglichkeiten hat man nicht.

Es sieht so aus, als ob sich die Waffenruhe schon bald erledigt hätte.

Die Vereinbarung von Minsk zwischen den Kriegsparteien sieht eigentlich vor, dass schweres Kriegsgerät aus den Kampfgebieten abgezogen werden muss. Daran hält sich aber vermutlich auch niemand?

Nach jüngsten Meldungen soll das nicht geschehen, nein. Das sagt sowohl die ukrainische Armee als auch die Kommandoführung der Separatisten. Beide Seiten weigern sich, die schweren Waffen von der Front zurückzuziehen. Als Grund geben sie die unsichere Lage an. Das ist ein ganz klarer Verstoss gegen das Minsker-Abkommen. Demnach hätte damit am zweiten Tag nach der Waffenruhe begonnen werden sollen. Es sieht so aus, als ob sich die Waffenruhe schon bald erledigt hätte. Die Menschen, mit denen ich spreche, wären froh, wenn sie eine Atempause kriegen würden. Sie wünschen sich nichts sehnlicher als Frieden. Glauben tut aber kaum jemand daran.

Ist es also angebracht, bereits von einem Scheitern der Waffenruhe zu sprechen?

Soweit würde ich noch nicht gehen. Wir müssen noch ein wenig Geduld haben und beobachten, wie sich die Lage in den nächsten Stunden und Tagen entwickelt. Es sieht nicht gut aus. Aber niemand hier hat wirklich erwartet, dass es nun sofort eine stabile Waffenruhe gibt. Es handelt sich um ein äusserst heikles Gebiet, viele unterschiedliche geopolitische Interessen der Akteure, die ihre Hände in dem Konflikt haben, prallen hier aufeinander. Es ist äusserst schwierig, sie alle an einen Tisch zu bekommen und wirklich Frieden zu schliessen.

Das Gespräch führte Daniel Eisner.

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