Facebook ist in Rumänien eine der wichtigsten Informationsquellen geworden. Politiker, Publizistinnen, sogar hohe Richter - alle kommunizieren über Facebook. Die Seite des Aktivisten Claudiu Craciun wird in Rumänien oft angeklickt.
Über Facebook Leute organisieren
«Craciun kann Leute organisieren und ihnen sagen, wo sie wann und wofür auf die Strasse gehen sollen», sagt der Journalist Razvan Chiruta der Traditionszeitung Romania Libera. Craciun selber beschreibt seine Rolle bescheidener. «Ich war stark beteiligt an den Protesten in Bukarest in den letzten Jahren», sagt er, und fährt sich durch das gescheitelte Haar, das zum blauen Hemd und zur feinen Brille passt.
Craciun mag Facebook. Man erreiche Leute leicht und es gebe keine Hierarchie, sondern nur verschiedene Gruppen, sagt er. Auch die Proteste nach dem Brand im Bukarester Nachtclub Colectiv, die Anfang November zum Rücktritt von Premierminister Ponta geführt hatten, wurden über Facebook organisiert.
Kurze Proteste
Diese Proteste waren emotionaler, plötzlicher und grösser als alle bisherigen. Doch auch Craciun konnte nicht verhindern, dass sie schon wieder vorbei sind. Er macht dafür den rumänischen Präsidenten Klaus Iohannis verantwortlich. «Mir gefällt seine Strategie nicht, die Protestbewegung zu spalten», sagt er.
Craciun findet es mies, dass Iohannis die Zivilgesellschaft bat, einige Vertreter auszusuchen, die er darauf im Präsidentenpalast empfing. Doch Iohannis beliess es nicht dabei: Er ging auch zur Demonstration auf dem Universitätsplatz. Auch das findet Craciun falsch. Diese Platz gehöre den Bürgerinnen und Bürgern, nicht den Politikern. Tatsächlich versiegten die Proteste nachdem sich der Präsident zu den Protestierenden gesellt hatte. «Doch es hat sich etwas geändert», sagt Craciun. Eine Protestkultur sei entstanden, auch dank seines Einsatzes.
Geteilte Meinungen
Die Offenheit Craciuns für jede abweichende Haltung ist manchen Beobachtern suspekt. Er organisiert den Widerstand, vermuten sie, und raubt ihm zugleich die Spitze. «Einerseits hoffen die Leute, dass er grosse Proteste organisiert», sagt der Journalist Razvan Chiruta. «Andererseits fürchten sie, dass er die Proteste zerstreut und ablenkt.»
Es gibt sogar Leute, die vermuten, Craciun arbeite insgeheim für die Partei des gestürzten Premierministers Ponta. Craciun weist das von sich. Der Journalist Razvan Chiruta wagt kein Urteil. Craciun möge gute Absichten haben. Aber beweisen könne er das kaum. Und das wiederum sagt weniger aus über Craciun, als über die rumänische Gesellschaft.
Kein Rumäne traue einem anderen, sagt Chiruta. Personen des öffentlichen Lebens spürten das besonders stark. Über sie kursieren Gerüchte, Vorwürfe, Spekulationen in den oft manipulierten klassischen Medien und in den in Rumänien so wichtigen sozialen Medien ohnehin. Das müssen in Rumänien Schauspieler und Politikerinnen aushalten. Und auch einer wie Claudiu Craciun, der die korrupte politische Klasse stürzen will. Wenn er es denn wirklich will.