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Männer mit dicken Jacken stehen in einer Schlange
Legende: Warten in der Kälte: Flüchtlinge stehen in Berlin an, um sich registrieren zu lassen. Reuters

International Darüber streitet Europa

Europa mag vereint sein, einig ist es sich deswegen lange nicht. Die Flüchtlingskrise spaltet die EU – doch auch an anderen Fronten tun sich tiefe Gräben auf. Ein Überblick zum anstehenden EU-Gipfel.

Für Gesprächsstoff ist gesorgt am heutigen EU-Gipfel in Brüssel. Denn beim wichtigsten Thema, der Flüchtlingskrise, gehen die Meinungen in den Mitgliedstaaten weit auseinander. Doch die Flüchtlingskrise ist nicht das einzige Thema, das Europa spaltet, wie diese kurze Auflistung zeigt.

  • Flüchtlingskrise: Die EU macht in der Flüchtlingskrise keine gute Figur. Von einer gemeinsamen Politik war lange nichts zu sehen, stattdessen handelte jedes Land auf eigene Faust. Seit September gibt es zwar eine gemeinsame Strategie, doch hapert es bei der Umsetzung. So kommt das Umverteilungsprogramm der EU nicht vom Fleck: 160‘000 Flüchtlinge sollten die EU-Staaten aus Griechenland und Italien aufnehmen, um die beiden Länder zu entlasten. Bis Ende November wurden aber gerade einmal 160 Flüchtlinge umgesiedelt. Zudem haben die Slowakei und Ungarn beim Europäischen Gerichtshof Klage gegen die Flüchtlingsquote eingereicht . Sie waren gegen die Umverteilung gewesen, wurden aber überstimmt. Der politische Streit um die Umsiedlungen dürfte damit weitergehen.
    Auch der Aufbau der Registrierungszentren , die an den EU-Aussengrenzen entstehen sollen, hat sich in die Länge gezogen. Mit ein Grund dafür war Griechenlands Angst, dass die Flüchtlinge dadurch im eigenen Land bleiben würden. Inzwischen sind in Italien und Griechenland zwei solcher Aufnahmezentren in Betrieb. Insgesamt will die EU in Griechenland bis Ende Jahr fünf solche Zentren betreiben.
  • Schengen: Die Flüchtlingskrise stellt auch die Reisefreiheit in Europa in Frage. Für Aufregung sorgte Anfang Dezember ein Vorschlag der EU, Griechenland zeitweise aus dem Schengenraum auszuschliessen. Die EU warf Athen vor, Flüchtlinge unregistriert weiterreisen zu lassen. Gleichzeitig lehnte die griechische Regierung Hilfe aus Brüssel ab. Inzwischen hat Athen seine Position geändert und ist bereit, auch Beamte der EU-Grenzschutzagentur Frontex für die Registrierung von Flüchtlingen einzusetzen. Zudem erlaubt Athen den Einsatz von EU-Eingreiftruppen zum Schutz seiner Grenze in der Ägäis. Die EU-Kommission will aber weitere Massnahmen ergreifen, um die EU-Aussengrenzen besser zu schützen. Sie schlägt vor, in Zukunft auch EU-Bürger bei der Einreise in die Schengenzone darauf zu kontrollieren, ob nach ihnen gefahndet wird. Damit will sie verhindern, dass europäische Syrien-Rückkehrer unbemerkt einreisen können. Zudem will sie eine neue Grenz- und Küstenwache bilden, die im Notfall auch gegen den Willen des betroffenen Landes eingesetzt werden kann. Dieser Vorschlag ist unter den EU-Mitgliedern allerdings umstritten.
  • Grexit: Vor der Flüchtlingskrise stritt die EU über die Zukunft Griechenlands: Sollte das Land in der Euro-Zone bleiben oder nicht? Deutschland brachte die Idee eines vorübergehenden Grexits in die Diskussion ein, doch am Ende gewährten die Geldgeber dem Land ein drittes Hilfspaket, das über drei Jahre läuft. Umfang: 86 Milliarden Euro. Im Gegenzug verpflichtete sich Athen zu Reformen und einem Sparprogramm. Im November kam die Eurogruppe zum Schluss, dass Athen die Vorlagen des ersten Massnahmepakets erfüllt hatte. Damit war der Weg frei für die nächste Tranche von 12 Milliarden Euro. Allerdings gibt es in Griechenland weiterhin Widerstand gegen die Auflagen. So hat das Parlament am Dienstag das Budget 2016, das Einsparungen von 5,7 Milliarden Euro vorsieht, mit einer Mehrheit von drei Stimmen nur sehr knapp angenommen.
  • Brexit: Bleiben oder gehen? Diese Frage wird nicht nur die Briten, sondern auch die EU beschäftigen. Premier David Cameron will bis spätestens Ende 2017 ein Referendum darüber abhalten, ob Grossbritannien in der EU bleiben soll. Er selber will nur dann für ein Ja einstehen, wenn er mehr Macht nach London zurückholen kann. So schlug Cameron unter anderem vor, die Sozialleistungen für EU-Bürger einzuschränken. Dies stösst in der EU-Kommission aber auf Ablehnung. Klar ist: Ein Austritt Grossbritanniens würde die EU schwächen; auf der internationalen Bühne würde sie an Gewicht verlieren. Eine Umfrage der Zeitung «The Independent» ergab Ende November erstmals eine Mehrheit für einen EU-Austritt.

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