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Alexis Tsipras gehend im Parlamentssaal, greift nach einer Hand eines Abgeordneten und lächelt.
Legende: Ein erleichterter Premier nach der knappen Abstimmung im Parlament. Reuters

International «Das griechische Parlament hatte kaum eine andere Wahl»

Athen hat in der Nacht auf Montag weitere, tiefgreifende Sparbeschlüsse beschlossen. Nur knapp gelang es Alexis Tsipras, die Mehrheit im Parlament für sich zu gewinnen und Neuwahlen abzuwenden. Wie sich das auf die Stimmung im Land auswirkt, weiss Journalistin Corinna Jessen.

Corinna Jessen

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Corinna Jessen bei TV-Schaltung nach Athen mit Mikrofon.

Corinna Jessen ist freie Journalistin in Athen, Korrespondentin für mehrere deutschsprachige Tageszeitungen und Mitarbeiterin des ZDF. Sie ist in Athen geboren und aufgewachsen. Studiert hat sie in Deutschland.

Premier Alexis Tsipras hat es geschafft: Er hat am Abend ein weiteres Sparpaket durchs Parlament gebracht. Alle 153 Abgeordneten seiner Regierungskoalition stimmten zu. Sie sagten Ja zur Kürzung der Renten und zu höheren Steuern.

SRF News: Hatten die Regierungsparteien überhaupt eine andere Wahl, als einfach Ja zu sagen? Die Regierung von Alexis Tsipras wäre ja sonst am Ende…

Corinna Jessen: Das ist richtig. Es gab wohl kaum eine andere Wahl. Die Verabschiedung war als Voraussetzung für die weitere Finanzierung des Landes dringend notwendig. Für die Kreditgeber ist das neue Sparpaket eine Bedingung, um die nächste Kredittranche auszuzahlen. Allerdings muss man dazu sagen, dass diese Reformen seit einem halben Jahr überfällig waren. Die Verzögerungstaktik der Regierung bei den Verhandlungen hat das ganze Paket immer teurer gemacht. Inhaltlich setzt die Regierung erneut eher auf Steuererhöhungen und auf Aufschwung als auf Kürzungen von Staatsausgaben. Hier hätte es sicherlich einen Spielraum gegeben.

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Das Gespräch führte Hans Ineichen.

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