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International Gewaltsamer Widerstand gegen Rentenkürzungen in Athen

Das Parlament in Athen hat kurz vor Mitternacht ein umstrittenes Gesetzesbündel mit neuen Sparmassnahmen gebilligt. Die Proteste gegen das Sparpaket dauerten mehrere Stunden. Vermummte Demonstranten warfen Brandflaschen gegen Polizisten. Diese antworteten mit Tränengas.

Ein neues Sparpaket in Milliardenhöhe trieb die Griechen zu tausenden auf die Strassen. In Athen und Thessaloniki demonstrierten am Abend nach offiziellen Angaben rund 15'000 Menschen. Sie waren einem Aufruf verschiedener Gewerkschaften gefolgt. Auch der bereits seit Freitag andauernde Generalstreik wurde fortgesetzt. Betroffen war vor allem der öffentliche Nahverkehr.

Detonierte Brandflaschen, die Polizei daneben.
Legende: Vor dem Parlament kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Gegnern des Sparprogramms und der Polizei. Reuters

Die Demonstranten wehrten sich gegen neue, unpopuläre Sparmassnahmen. Über diese war seit Samstag im Parlament beraten worden. Die Debatte verlief zeitweise stürmisch.

Nach einem Streit mit heftigen Beschimpfungen zwischen Abgeordneten der rechtsextremistischen Partei Goldene Morgenröte und mehreren Ministern wurde die Sitzung für etwa 40 Minuten unterbrochen.

Am späten Sonntagabend wurde das Sparpaket schliesslich gebilligt. Alle 153 Abgeordneten der Regierungskoalition des linken Premierministers Alexis Tsipras im Parlament votierten mit «Ja», wie das Staatsradio berichtete. 143 Abgeordnete der Oppositionsparteien stimmten dagegen. Vier Abgeordnete waren abwesend.

Juncker: Ziele erreicht

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EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sieht das Krisenland auf einem guten Weg. «Wir sind gerade bei der ersten Überprüfung des Programmes, und die Ziele sind so gut wie erreicht», sagte Juncker. Die EU-Finanzminister würden am Montag «erste Diskussionen darüber führen, wie man die Schulden für Griechenland langfristig tragfägig machen kann».

Eskalation vor Parlament

Die Proteste eskalierten schon Stunden vor der Abstimmung in Athen. Einige vermummte Demonstranten hätten Molotow-Cocktails auf Polizisten geworfen, berichteten Augenzeugen. Die Sicherheitskräfte hätten Tränengas und Blendgranaten eingesetzt, um die Menge auseinander zu treiben. Beissender Rauch machte sich auf dem Platz vor dem Parlament breit. Tausende friedliche Demonstranten ergriffen die Flucht. Später beruhigte sich die Lage wieder.

Tagsüber hatten in Athen und Thessaloniki nach Polizeiangaben insgesamt 20'000 Menschen gegen die Reformen demonstriert. «Für uns ist das (Gesetz) der Grabstein des Rentensystems, so wie wir es bislang kannten», sagte ein Demonstrant im griechischen Fernsehen. «Wir werden nur noch etwas Taschengeld statt unsere Rente bekommen», sagte eine Frau.

Auch die Opposition griff die Regierung scharf an. Tsipras habe «Hoffnung zu Verzweiflung» werden lassen, sagte ein Vertreter der sozialdemokratischen Pasok.

5,4 Milliarden Euro für Athen

Das neue Sparpaket hat einen Umfang von 5,4 Milliarden Euro. Ein Drittel des Betrages soll über Kürzungen bei den Renten erreicht werden, der Rest durch Steuererhöhungen. Konkret sieht das Programm eine nationale Rente in Höhe von 384 Euro pro Monat und eine Erhöhung der Einkommens- und der Solidaritätssteuer vor. In den kommenden Wochen soll das Parlament auch über Erhöhungen der indirekten Steuern entscheiden.

Die Sparmassnahmen sind Voraussetzung für neue Zahlungen an das schuldengeplagte Euro-Land. Diese stammen aus dem im Sommer 2015 grundsätzlich vereinbarten dritten Hilfspaket . Athens Kassen wären ohne neue Kredite Anfang Juli leer.

Rapport an Finanzminister in Brüssel

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Griechenland wird bereits seit 2010 mit internationalen Krediten vor der Staatspleite bewahrt. «Wir haben unser Versprechen gehalten, nun müssen der Internationale Währungsfonds (IWF) und Deutschland eine tragbare Lösung finden, eine Lösung für die Schulden, die Investoren eine klare Zukunftsperspektive eröffnet», sagte Finanzminister Euklid Tsakalotos nach der Abstimmung.

Das Parlamentsvotum dürfte Tsakalotos bei dem für Montag geplanten Treffen mit seinen Euro-Kollegen den Rücken stärken. Die Minister wollen sich von den Prüf-Institutionen von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und IWF über den Stand der Umsetzung der angemahnten Reformen informieren lassen.

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