International - Der Aussenpolitiker im gelben Pullunder
Sein Dialekt verriet seine Herkunft bis ins hohe Alter: Hans-Dietrich Genscher wurde 1927 in Halle geboren und siedelte kurz nach der Gründung der DDR in den Westen über. In der Wendezeit gehörte er zu den prägenden Köpfen – unvergessen sein Auftritt in der Prager Botschaft.
Genscher, geboren 1927 in einem Vorort von Halle/Saale und Anfang der fünfziger Jahre in den Westen übergesiedelt, war insgesamt 18 Jahre Aussenminister der Bundesrepublik Deutschland – ein Rekord. Sein Name ist untrennbar verbunden mit dem Ende des Kalten Krieges und den Verhandlungen zur deutschen Einheit.
Geschickter Anwalt des Ausgleichs
Der FDP-Politiker Genscher – Markenzeichen gelber Pullunder – zeigte sich nach dem Amtsantritt als Aussenminister im Jahr 1974 als geschickter Anwalt eines Ausgleichs zwischen Ost und West.
Zu seinen erklärten aussenpolitischen Zielen gehörte es, geduldig an der Entspannungspolitik festzuhalten und den Dialog mit der neuen sowjetischen Führung unter Michail Gorbatschow zu suchen.
1989 gehörte Genscher zu jenen Politikern, die die Reformprozesse in Polen und Ungarn von Beginn an unterstützten. Als Aussenminister und Exponent der FDP rief er wenig später die Verantwortlichen in der DDR zum Umdenken auf und dankte der ungarischen Führung für ihre Haltung bei der Ausreise der DDR-Flüchtlinge.
Auftritt in der Prager Botschaft
Unvergessen bleibt sein Auftritt in der Prager Botschaft der Bundesrepublik am 30. September 1989: Vom Balkon der Botschaft überbrachte er den tausenden auf dem Botschaftsgelände ausharrenden DDR-Flüchtlingen die Nachricht von ihrer bevorstehenden Ausreise. Die Szene, in der Genschers letzte Worte bereits im Jubel der Flüchtlinge untergehen, ging in die Geschichtsbücher ein.
In den dramatischen Wochen im Herbst 1989 gehörte Genscher zu den Politikern, die die Chance für einen Durchbruch in der deutschen Frage erkannten und alles daran setzten, im Ausland die Vorbehalte gegen ein vereintes Deutschland abzubauen. Als das «am tiefsten bewegende Ereignis der ganzen Amtszeit» bezeichnete Genscher später den Austausch der Ratifikationsurkunde für den 2+4-Vertrag im Mai 1991 in Moskau – das Abkommen über Deutschlands Souveränität.
Genscher blieb noch bis 1992 Aussenminister und bis 1998 Mitglied des Bundestages. Nach seinem politischen Abschied übernahm er bis 2004 den Aufsichtsratsvorsitz einer von ihm gegründeten Kommunikationsberatung für Wirtschaft, Medien und Politik.
Ausserdem gründete er die Hans Dietrich Genscher Consult - eine Firma, die Unternehmen mit Auslandsplänen beriet. Genscher war Ehrenvorsitzender der FDP. Er lebte in der Nähe von Bonn.
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