Er galt als Macher und Krisenmanager und war bis zu seinem Tod einer der populärsten Politiker in Deutschland. Nun ist der frühere Kanzler Helmut Schmidt mit 96 Jahren in seiner Heimatstadt Hamburg gestorben.
Schmidt verstarb nach Angaben seines Arztes Heiner Greten gegen 14.30 Uhr. Schmidts Gesundheitszustand hatte sich in den vergangenen Tagen deutlich verschlechtert. Der Altkanzler hatte in den vergangen Wochen wiederholt im Spital behandelt werden müssen, nachdem ihm im September ein Gefässverschluss entfernt worden war.
In der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin reagierten die Abgeordneten nach Angaben von Teilnehmern betroffen und erhoben sich zu einer Gedenkminute.
Als einer der ersten äusserte sich der Präsident des EU-Parlaments und SPD-Politiker, Martin Schulz. Schmidts Tod markiere «eine Zäsur für Deutschland und Europa», erklärte Schulz.
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann meinte wiederum: «Ich verneige mich vor
der Lebensleistung von Helmut Schmidt. Er war überzeugter Sozialdemokrat und grosser Europäer. Er wird uns fehlen.» Er erinnerte an die letzte SPD-Parteitagsrede Schmidts 2011 in Berlin, wo dieser mahnende Worte zum Zustand Europas gefunden hatte. Vieles davon sei unverändert gültig. SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel zeigte sich in einer ersten Reaktion stolz, dass Helmut Schmidt «einer von uns» war. «Seine Urteilskraft und sein Rat werden uns fehlen.»
Merkel mit persönlicher Würdigung
Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte ihren Vorgänger als Vordenker der internationalen Zusammenarbeit. Vor der Unions-Bundestagsfraktion erinnerte sie nach Angaben zudem an seine Entscheidung zum Nato-Doppelbeschluss. Merkel sei in ihrer Würdigung auch sehr persönlich geworden: Sie habe etwa 1962 von der DDR aus beobachtet, wie er als Hamburgs Regierender Bürgermeister in der Sturmflut agiert habe. Ihre Familie habe Verwandtschaft in Hamburg gehabt, um die man sich Sorgen gemacht habe, sagte die in der Hansestadt geborene Kanzlerin.
Die Abgeordneten von CDU und CSU erhoben sich nach dem Bekanntwerden des Todes von ihren Plätzen und gedachten Schmidt mit einer Schweigeminute.
Steinmeier: Schmidt prägte Deutschland
Der Bundespräsident Joachim Gauck sagte, dass Deutschland um den bedeutendsten deutschen Politiker der Nachkriegszeit trauert. «Sein entschlossenes Handeln in schwierigsten Situationen, seine Fähigkeit, das Machbare zu erkennen und zu gestalten, aber auch seine Kompromissfähigkeit, sein Eintreten für die Verteidigungsbereitschaft der freien Staaten Europas in Zeiten der Bedrohung – das alles steht mir und vielen Menschen in unserem Land in diesen Stunden der Trauer vor Augen.»
Deutsche Politiker äussern sich zum Tod von Helmut Schmidt
Deutschland habe eine Vaterfigur verloren, so der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier. Helmut Schmidt habe die Deutschen und Deutschland tief geprägt. «Generationen – auch ich – haben seine Klugheit und Autorität gesucht und geschätzt – bis an sein Lebensende in einem gesegneten Alter. Helmut Schmidt war nicht nur Kanzler der Deutschen – er war Mentor der Deutschen.
Juncker: Er wird Europa fehlen
Auf Europäischer Ebene meinte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: «Er war ein Freund, der mir, ebenso wie Europa, fehlen wird. Denn mit ihm verlieren wir einen besonderen Menschen, dessen politischer Mut viele bewegt hat. Ein besonderer Mut hat Helmut Schmidt ausgezeichnet: der Mut in die Zukunft zu denken. Dieser Mut ist auch sein Auftrag an uns, niemals aufzugeben, wenn es um Europa geht.»
Der französische Präsident François Hollande bezeichnete Schmidt als grossen Staatsmann und grossen Europäer, der den Weg zum Euro geebnet habe. Hollande erklärte, Schmidt habe als Bundeskanzler Entscheidungen vorbereitet, die anschliessend von seinem Nachfolger Helmut Kohl (CDU) und dem französischen Präsidenten François Mitterrand umgesetzt worden seien.
Auch Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga würdigte Helmut Schmidt; er sei «ein grosser Europäer, ein grosser Staatsmann und ein grosser Sozialdemokrat» gewesen, hiess es aus dem Eidg. Justiz- und Polizeidepartement.
Russlands Präsident Wladimir Putin drückte der Bundesrepublik sein Beileid aus. In einem Telegramm an Bundespräsident Joachim Gauck und Kanzlerin Angela Merkel bezeichnete er Schmidt als «herausragende Persönlichkeit Nachkriegsdeutschlands für die europäische und globale Politik».
Angesehen bis ins hohe Alter
Schmidt gehörte dem Bundestag bis 1987 an. Seit 1983 war er Mitherausgeber der Wochenzeitung «Die Zeit». Er schrieb zahlreiche Bücher und reiste für Vorträge um die Welt. Auch im hohen Alter waren seine Meinung und sein Rat gefragt und geschätzt. Schmidt erhielt zahlreiche Auszeichnungen, seine Bücher standen wochenlang auf den Bestseller-Listen.
Seine Frau Loki, mit der 68 Jahre verheiratet war und die er seit der Schulzeit kannte, war am 21. Oktober 2010 im Alter von 91 Jahren gestorben. Im August 2012 bekannte sich Schmidt zu Ruth Loah als neuer Gefährtin. Sie zählte schon seit Jahrzehnten zu seinen Vertrauten. Tochter Susanne Schmidt, promovierte Ökonomin und Finanzjournalistin, lebt mit ihrem Ehemann Brian Kennedy in England.