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Polizisten der Berkut-Einheit am 22. Februar in Kiew.
Legende: Polizisten der Berkut-Einheit am 22. Februar in Kiew als sie noch aktiv war. Reuters

International Deutschland hat die Sondereinheit Berkut trainiert

«Der gestrige Freund ist der heutige Feind», so die knappe Zusammenfassung eines Grünen deutschen Abgeordneten. Die deutsche Regierung hat die ukrainische Regierung unter Janukowitsch in Sicherheitsfragen beraten. Und konkret auch die Polizeisondereinheit Berkut geschult. Skandalös?

Knüppel, Tränengas und Gummigeschosse: Bis zuletzt hatten die Männer der Sondereinheit Berkut den Präsidenten Viktor Janukowitsch verteidigt. Die Berkut, mit dem deutschen Namen «Steinadler», ist durch ihr brutales Vorgehen gegen Demonstranten in der ukrainischen Hauptstadt Kiew in die Schlagzeilen geraten. Die Spezialeinheit war dabei gefilmt worden, wie sie mit scharfer Munition in die Menge schoss. Mehr als 80 Menschen waren bei den Strassenkämpfen um den Maidan getötet worden.

Brisantes Gespräch

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Ein abgehörtes Telefonat zwischen Estlands Aussenminister Urmas Paet und der EU-Aussenbeauftragten Catherine Ashton sorgt für Wirbel. Paet sagt darin, es gebe Hinweise, dass hinter den Todesschützen vom Maidan «nicht Janukowitsch, sondern jemand von der neuen Koalition» stehe. Paet bestätigte die Echtheit des Gesprächs. Wer mithörte, ist unklar.

Fussball-Europameisterschaft 2012

Nun ging ein Aufschrei durch deutsche Medien: Die Bundesregierung habe in den Jahren 2009 bis 2013 die ukrainische Regierung unter dem inzwischen entmachteten Präsidenten Viktor Janukowitsch in Sicherheitsfragen beraten. Und konkret gar die Steinadler ausgebildet. Dies im Zusammenhang mit der Fussball-Europameisterschaft 2012. Dies geht aus einer nun bekanntgewordenen Antwort des Deutschen Innenministeriums auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Hans-Christian Ströbele hervor.

Kurt R. Spillmann findet diese Zusammenarbeit nicht verwerflich: «Es ist keine militärische Angelegenheit. Unterstützung für Sicherheitsmassnahmen an Sportanlässen ist normal», sagt der emeritierte ETH-Professor für Sicherheitspolitik und Konfliktforschung. «Wenn Helme geliefert werden, halte ich das für unbedenklich. Es handelt sich offenbar nicht um schädliches Material. Die Ausrüstung ist rein defensiv», so Spillmann zu SRF News Online.

Der Sicherheitsexperte bezieht sich auf weitere Ausführungen des Innenministeriums, wonach für die Steinadler Schutzhelme und leichte Körperschutzausstattung geliefert worden seien. Des Weiteren habe das Bundeskriminalamt dem ukrainischen Sicherheitsdienst SBU polizeiliche Aufbauhilfe geleistet.

Er schwärzt die Regierung an, sie sei eine Fahne im Wind.
Autor: Kurt R. Spillmann Sicherheitsexperte

Generell ist Deutschland in der Ukraine-Krise nicht mit scharfen Worten aufgefallen. Die Zurückhaltung hat laut Spillmann aber keinen Zusammenhang mit den Ausbildungsprogrammen. «Diese sind der Regierung kaum peinlich», vermutet er. Vielmehr bemühe sich das Land, den Konflikt nicht anzuheizen.

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Empörung gibt es von politischer Seite: «Die Antwort der Bundesregierung zeigt, wie schnell man vom gestrigen Freund zum Feind und Diktator erklärt werden kann», erklärte der Grüne Ströbele, welcher die Anfrage eingereicht hatte. Die Kritik von Ströbele kommt für Spillmann nicht überraschend: «Er schwärzt die Regierung an, sie sei eine Fahne im Wind. Ströbele ist ein Polemiker. Aber die Antwort aus dem Innenministerium beschreibt keinen immanenten Tatbestand.»

Brisanter: Was machen die Berkut-Männer jetzt?

Drei Monate lang haben die Berkut-Einheiten den Maidan in Schach gehalten. Etwa 4000 Mann, im Einsatz fast rund um die Uhr. Sie waren Janukowitsch loyal bis aufs Letzte – bis zu dessen Rausschmiss aus der Regierung. Dann löste Übergangs-Innenminister Arsen Awakov die Einheit Steinadler offiziell auf.

Schweiz setzt Militärkurse aus

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Wegen der Krim-Krise hat die Schweiz Militärkurse für russische Soldaten laut dem VBS auf «unbestimmte Zeit verschoben». 42 Angehörige der russischen Streitkräfte sollten in diesem Jahr am Kompetenzzentrum der Armee in Andermatt einen Gebirgsausbildungskurs besuchen.

Für den Sicherheitsexperten wirft dies eine viel brisantere Frage auf. Was machen die Männer der Spezialeinheit heute? Spillmann vergleicht es mit Veteranen, die aus Kriegen zurückkehren. Blieben sie beim Militär, seien sie unter Kontrolle. Aber es gebe immer ein Gefahrenpotential: «Solche, die sich als Söldner in Konfliktgebieten anbieten. Es gibt heute private Armeen, die etwa im Irak oder Afghanistan Schutzfunktionen übernommen haben. Von der Typologie sind das Kämpfernaturen, die ein solches Umfeld suchen.»

Inzwischen hat Russland an die Mitglieder der aufgelösten Spezialeinheit Pässe ausgegeben. Das russische Generalkonsulat in Simferopol teilte am Dienstag mit, weitere Angehörige mit neuen Dokumenten ausgerüstet zu haben. Präsident Wladimir Putin dürfte die Kämpfer mit Wohlwollen in sein Land aufnehmen, vermutet Kurt Spillman. «In seinen Geheimdienste und Militäreinheiten sind solche Kämpfernaturen willkommen: ideologisch zuverlässig und militärisch gut ausgebildet.»

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